1538
K arl
Friedrich
xinkel.
An Kolossalität, an Pracht und einer, den ganzen Charakter der Stadt
beherrschenden Wirkung ist endlich der sechste Entwurf vorzugsweise
ausgezeichnet. Dieser ist von quadratischer Grundfläche und besteht aus
drei übereinandergesetzten Geschossen, die sich durch hohe korinthische
Säulenstellungen nach aussen öffnen. Ueber dem obersten Geschosse ruht
noch ein leichter Bau von kleinerer Grundfläche (die Reliquienkammer
enthaltend), dessen Gipfel mit reicher Verzierung und der Statue einer
Victoria gekrönt ist. Jedes der drei Geschosse besteht. durch eigenthüm-
liche Stellung der Mauern. aus vier offenen Hallen, deren Wände mit
Malereien geschmückt sind. Im Grunde der vorderen Halle des ersten Ge-
schosses, in einer Nische, ist die sitzende Kolossalstatue des Königs ange-
bracht. Auch hier sind manche geistreiche Eigenthümlichkeiten in der
Behandlung der antiken Bauformen zu bemerken; so namentlich die leich-
tere Composition des Gebälkes, die in Rücksicht auf das Uebereinander-
stellen der verschiedenen Säulenreihen (sehr beachtenswerth für ähnliche
Fälle) angeordnet ist; so auch die kräftigen, reichgeschmückten Eckpilaster,
welche der Structur des Ganzen Zusammenhalt und festen Schluss gewäh-
ren, u. dergl. m.
Die übrigen monumentalen Entwürfe SchinkePs beziehen sich auf die
Ereignisse der Befreiungskriege. Zu diesen gehört zunächst das wirk-
lieh zur Ausführung gekommene (in Eisen gegossene) Denkmal, welches
sich auf dem Kreuzberge bei Berlin erhebt (Heft III). Die Architektur
desselben ist, wiederum als seltene Ausnahme und wohl mehr auf äussere
Veranlassung, im gothischcn Style gehalten. Im Grundriss ein Kreuz bil-
dend, ist jeder Arm des Kreuzes an jeder seiner drei Seiten mit einer Nische
versehen; in diesen Nischen stehen kolossale Statuen von symbolischer Be-
deutung, die I-lauptschlachten der Befreiungskriege bezeichnend. Ueber
ihnen erheben sich die Giebel, die Spitzen der Streben, die mittleren
Theile des Monuments leicht und frei in die Luft, so dass das Ganze die
Gestalt eines mannigfach gegliederten pyramidalen Thurmbaues annimmt.
Es ist hier somit das aufstrebende Element der gothischen Kunst (eine
Ausnahme auch unter den wenigen Entwürfen gothischen Styls) mit Ab-
sicht aufgenommen; aber auch hier muss ich es bekennen, dass mich das
Ganze nie in dem Maasse befriedigt hat, wie es vor so vielen andern
Werken SchinkePs stets der Fall ist. Indem ich mein Gefühl in Worte
zu fassen suche, möchte ich dies dahin erklären, dass eines Theils die
Statuen zu beengt zu stehen scheinen, andern Theils aber der ganzen
oberen Hälfte des Monuments die allmählig fortschreitende Entwickelung
fehlt, indem die sämmtlichen, zwar an Höhe und Stärke verschiedenen
Thürmehen in gleichem Momente aus der Giebelarchitektur hervortreten,
somit nicht eine gegenseitige Bedingung ihrer Existenz enthalten. Auch
dies scheint mir ein Beweis dafür, dass Schinkels Eigenthümlichkeit in
der mittelalterlichen Kunst nicht ihre ursprüngliche Heimat findet.
Ein älterer Entwurf als der ebengenannte, ebenfalls ein Denkmal der
Befreiungskriege darstellend, ist als ein öffentlicher Brunnen gedacht
und besteht der Hauptsache nach ganz aus freier Scnlptur. Ein Unterbau
von Granit bildet ein weites rundes Bassin, aus dem sich, von demselben
Materiale, der Sockel des Monuments, mit vier, nach verschiedenen Seiten
vorspringenden Schalen erhebt. Darüber beginnen die in Bronze gegos-
senen Sculpturen. Zunächst ein breites Fries, dessen Reliefs die Haupt-
ereignisse des- Krieges darstellen und der von vier Gruppen sitzender