Berichte,
Kritiken,
Erörterungen.
anfing, über zwanzig Jahre dort und in Rom daran malte, und es endlich,
durch Beiträge einiger Lübecker und anderer Kunstfreunde, unter denen
Rumohr am reichlichsten spendete, dazu in den Stand gesetzt, vollendete
nnd Seiner Vaterstadt schenkte. Hier hängt es in einer Kapelle der Ma-
rienkirche, welche, selbst ein herrliches Denkmal der mitteldeutschen
Kunst, an Gemälden aus dem sechzehnten Jahrhundert gar reich ist. An
dem vorliegenden Steindrllck hat der junge Künstler mehrere Jahre. durch
Brodarbeiten abgehalten, oft unterbrochen gearbeitet, und ihn jetzt glück-
lich vollendet. Wenn Sie dessen in Ihrem Museum gedenken, wurde es
vielleicht nicht übel sein, an eine sehr schöne Sammlung von Köpfen, aus
dem vortrefflichen Lübecker Dombilde (das Freund Rumohr für einen
Hemelink oder Memelink hält) zu erinnern, die Otto Speckter nebst sei-
nem Bruder Erwin Speckter (jetzt in Rom) und dem Maler Milde in Ham-
burg, daselbst vor einigen Jahren im Steindruck herausgab."
Mit grosser Freude benachrichtigen wir unsre Leser von der Erschei-
nung eines Blattes, das eines der ersten Meisterwerke neuerer Kunst, so-
weit es möglich ist, zum Gemeingut macht. Wir wünschen, und wir sind
von der Erfüllung dieses Wunsches überzeugt, dass dasselbe mannigfach
in unserm Vaterlande Eingang finden, und viele Gemüther der Kunst,
sofern diese ein Höheres, Heiliges in sich trägt, zuneigen möge. Aus
Overbeck's Bildern weht uns ein Friede entgegen, wie wir ihn nur in den
Schöpfungen einer frommen christlichen Vergangenheit kennen: jener gross-
artige, altkirchliche Styl, den der Meister befolgt, spricht selbst schon
als geheiligte Tradition zu uns. Gleichwohl steht Overbeck frei und künst-
lerisch vollendet genug da, dass die einzelne Figur, welche er schafft,
nicht, wie es wohl bei jenen alten Meistern der Fall ist, ohne Bedeutung
für sich, ohne eigenthümliches, selbständiges Leben, nur als Glied eines
grösseren wohlgeordneteu Ganzen erscheint; bei ihm vielmehr hat alles
Einzelne zugleich Leben, Charakter.
Das beweist vor vielen Andern das Bild, welches die Ueberschrift
nennt. Ein feierlicher, einfach geordneter Zug, mit verschiedenen. leicht
übersebbaren Gruppen von Zuschauern umgeben. Und doch. bei fast 150
Köpfen, welch ein Reichthum der Erfindung, welch eine Anmuth der Be-
wegung, welch eine Mannigfaltigkeit des Ausdruckes! In der Mitte der
Meister in ernster göttlicher Ruhe; hinter ihm und zur Seite die Jünger
voll stiller Begeisterung, jeder in strengster Eigenthümlichkeit aufgefasst,
vor ihm die heiligen Frauen; in den Zuschauern alle Stufen von Jubel.
Verlangen, Ahnung, von Zweifel, Neugier, Stumpfheit, Hass ich könnte
die Geschichte eines Jeden, den das Bild darstellt, schreiben. Seht jene
Krieger! das Gesicht des einen, der sein Haar suevisch in einen Knäuel
gewunden hat, erscheint noch stumpf, wie das eines Blinden; er ist noch
in der Nacht eines tiefsten Heidenthums begraben, seine trotzige Stirn
kennt nur das Gesetz der Gewalt. Neben ihm, der das edle, behclmte
Haupt vorbeugt, unruhig, fragend, crwartend, es kann nur Longinus
sein, jener andre Paulus. Seht unter dem Palmbanm jene vier Asiaten!
Sie sprechen über den Vorgang, gegen dessen tiefe Bedeutsamkeit ihr Ge-
müth nicht verschlossen ist; aber alles Gut an die Armen zu geben nach
den Geboten des Meisters, 0 Seht, wie es spöttisch um den Mund des
schönen Jünglinges zuckt! Seht hinter den Jüngern jene stille Künstler-
schaar, lebcnsvollste Portraits, und doch ein jeder den hohen Moment in