SchinkeYs Kirchenpläne.
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lich die der grossartigsten oberen Fensterreihe, auf das Innere möglichst
wenig beeinträchtigt. Diese Fensterarchitektur ist es vornehmlich, was
die eigenthürnliche Schönheit und Bedeutung dieses Entwurfes ausmacht.
Die Fenster sind im Halbkreise überwölbt; aber es ist nicht die starre,
schwere Form dieses Bogens, welche in der antiken Kunst gebräuchlich
und allein durch willkürliches Ornament reicher auszubilden ist: Bogen
und Seitenwände der Fenster sind auf eine organische Weise gegliedert,
so dass, statt der todten Qnadersteine, Säulchen und Einziehungen ein
bewegtes Leben entwickeln und das Aufstreben der Masse und die elasti-
sche Spannung des Bogens anschaulich und wirkungsreich aussprechen.
Diese Anordnung hat viel Verwandtes mit den Formen der sogenannten
byzantinischen Kunst in ihrer späteren Ausbildung; aber wiederum tritt
hier SchinkeFs classisches Princip hinzu, welches sowohl, wie es scheint,
in der Bildung der vorzüglichsten Details, als vornehmlich durch einen
klaren gesetzmässigen Einschluss der Bogenformen vermittelst kräftig ge-
führter Horizontallinien (welches Alles zur Vollendung der Rundbogen-
architektur eben so nothwendig ist, wie es bei der gothischen widerspre-
chend erscheint) Ruhe, Maass und festen Halt in das Ganze der Anlage
hineinbriugt. Besonders grossartig erscheint die Facade dieses Gebäudes,
deren Giebelwand, von zwei schlanken Thürmen eingeschlossen, durch
ein einziges grosses, reich in dieser Weise gebildetes Fenster ausgefüllt
wird. unter welchem eine offene Bogenhalle, wiederum von ähnlicher
Oonstruction, vortritt. Der zweite von den in Rede stehenden Entwür-
fen (Heft XV) hat eine wesentlich abweichende Grundanlage. Es ist ein
Rundbau, von einer mächtigen Kuppel bedeckt, die von zwölf Pfeilern
getragen wird. Die Pfeiler sind durch halbkreisförmige Tonnengewölbe
verbunden und enthalten tiefe Nischen zwischen sich, in denen ringsumher
dreifache Emporen übereinander angeordnet sind. Diese Anordnung scheint
für das Innere eine grossartigere Wirkung zu begünstigen, indem die Em-
poren, wenn gleich von sehr bedeutender Anzahl, doch die Hauptformen
der Architektur nicht wesentlich beeinträchtigen; die Gewölbe, besonders
die den ganzen Hauptraum des Innern überspannende Kuppel, lassen ein
hehres, würdiges Gefühl vorherrschen, und die an den zumeist vertreten-
den Formen durchgeführte Gliederung (ähnlich wie bei der Fensterarchi-
tektur des vorigen Entwurfes) löst die strenge Erhabenheit des Ganzen
zugleich in ein heiter bewegtes Leben auf. Gestatteten es die äusseren
Bedürfnisse, statt der drei Emporen in jeder Nische nur deren zwei an-
zulegen, so würde auch für die gegenwärtigen Zwecke des protestantischen
Gottesdienstes kaum eine würdigere Gestalt zu erfinden sein. Auch das
Aeussere dieses Gebäudes ist als Rundbau gehalten. An den Einzelheiten
zeigt sich hier wiederum die edelste Durchbildung der (dem Innern ent-
sprechenden) Formen im Sinne der classischen Kunst; aber die Reihen
kleiner Fenstergruppen welche mit besondrer Rücksicht auf die einzelnen
Nischen und die einzelnen Emporen derselben angeordnet sind, lassen das
Ganze fast zu ernst und düster erscheinen. Mehr nur dient die hoch em-
porstrebende Schutzkuppel, die sich über der ganzen Anlage erhebt, dazu,
ihr auch im Aeussern ein feierlich erhabenes Gepräge zu geben. Der
dritte Entwurf endlich (Heft XVI) hat im Grundrisse des Innern eine
Kreuzform; die Arme des Kreuzes sind mit kolossalen Tonnengewölben
überspannt und in dreien derselben einfache Säulenstellungen, mit einer
Empore darüber, angebracht; im vierten Arme des Kreuzes steht die gran-