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Karl
Friedrich
Schinkel.
Interessanter noch zeigt sich die Behandlung abweichender Hauptfor-
mon im Geiste der griechischen Kunst an einigen andren Gebäuden: diese
gehören zu denjenigen wichtigen, im Obigen bereits berührten Punkten.
in welchen eine weitere Fortbildung der heutigen Architektur auf stetige
Weise, ohne willkürlichen Sprung oder Rückschritt, wahrzunehmen ist.
Unter ihnen sind zunächst die beiden kleinen Gebäude zur Seite des
neuen Thores von Berlin (Heft XXV) zu nennen. Von sehr einfacher
Anlage, zeichnen sie sich nur durch die grossen Hallen, die sich an ihren
Vorderseiten öffnen und die durch Pfeiler mit Halbkreisbögen gebildet
werden, aus. Das mächtig Aufstrebende, was in dieser Bogenform liegt,
erhält hier durch klaren Einschluss diejenige Ruhe, die dem Charakter
der classischen Kunst entsprechend ist; die Details der griechischen Archi-
tektur geben den Hauptlinien Leben und feinere Bewegung." ln ver-
wandtern Style, aber ungleich reicher in der Gesammtcomposition und
durch besondre Abtheilungen in einzelne Haupttheile auseinander gelegt,
ist die Architektur des Hamburger Schauspielhauses (Heft XII) ge-
halten; doch scheint es mir, dass hier trotz der grossen Consequenz in
der Durchführung des angewandten Systems doch noch nicht eine voll-
kommen harmonische Durchdringung der Bogenarchitektur mit den Formen
der griechischen Kunst statt gefunden habe.
Die vollkommenste Eigenthümlichkeit dagegen, wie solche unmittelbar
durch das Bedürfniss und durch die heimische Weise der Construktion
hervorgerufen war, und zugleich eine Formation des Einzelnen, bei wel-
cher die griechische Bildungsweise durchaus naturgemäss erscheint, zeigt
das Gebäude der neuen Bau schule zu Berlin (Heft XX u. XXV)_ [n
mehreren Geschossen übereinander ausgeführt, sind die Räume desselben
grösstentheils durch flachgewölbte Decken von einander getrennt. Diese
Struktur gab Anlass, im Aeusseren breite Strebepfeiler, als Gegendruck
gegen die Gewölbe des Inneren, hervortreten und an den Fenstern und
Portalen die Andeutung der entsprechenden Bogenform sichtbar werden
zu lassen. Zwar erhielten die Fenster der beiden Hauptgeschosse nur
eine viereckige Lichtöffnung, aber die Bekrönung des Bogens, mit dem sie
eingewölbt wurden, trat als zierlich geschwungener Giebel überall bezeich-
nend über ihnen vor. Zugleich gab das Material des gebrannten Steines,
aus dem das Gebäude aufgeführt wurde, und das im Aeusseren überall
sichtbar blieb, den Anlass zu eigenthümlicher Formation des Details: da
seine Beschaffenheit nemlich stärkere Ausladungen unmöglich oder wenig-
stens sehr schwierig machte, so wurden statt dessen feinere Gliederungen
und reichere Dekoration angewandt. Die zierliche Umfassung der Fenster
ward an ihren inneren Seiten reichlich mit Ornamenten geschmückt; da
sie, für öffentliche Räume bestimmt, zugleich eine grössere Ausdehnung
haben mussten, so wurden in ihnen leichte Pfeiler, Herinenartig abschlies-
send, zur Unterstützung der Einfassung angebracht; unter dieser Einfassung
wurde eine, reich mit Sculptnren geschmückte Brüstung, über dersel-
ben, unter dem Giebelbogen, eine Füllung mit sinnreichen Ornamenten
angeordnet, auch der Giebelbogen selbst mit zierlichem Schmucke bekrönt.
In gleichem Reichthnme an Sculpturen und Ornamenten erscheinen die
Portale. Neben all diesen feinen Formen halten sodann die kräftigen
Strebepfeiler das Gerüst der Architektur zusammen, und eine feste, reich
gegliederte Bekrönnng schliesst das Ganze auf eine beruhigende Weise.
Das Gebäude steht seit kurzer Zeit vollendet da; der Eindruck, den es