Volltext: Kleine Schriften über neuere Kunst und deren Angelegenheiten (Bd. 3)

Schinkel. 
Karl Frieäriclm 
duelle Weise, mit so bewusstem Gefühle, mit so vollendeter künstlerischer 
Kraft reproducirt, (lass uns hier in der That der Hauch des classischen 
Zeitalters entgegen zu wehen scheint. Zu einer solchen Belebung trägt 
freilich auch die gesammte Ausstattung der Anlage. welche Schinkel in 
seinem Entwnrfe zugleich angedeutet, wesentlich bei; ich meine, der 
Schmuck an Bildwerken, an springenden YVassern, an blühenden Gewäch- 
sen und Gartenanlagen, die sich im reizvollen WVechsel mit den strengem 
architektonischen Formen mischen. Eine grössere, eigenthümlich gestaltete 
Gartenanlage ist seitwärts neben der Villa angeordnet; sie hat die Gestalt 
eines Hippodroms, ziemlich genau jener Anlage entsprechend, welche 
Plinius als das Prachtstück seiner toskanischen Villa ausführlich schildert. 
Nur dieser Hippodrom ist bis jetzt zur Ausführung gekommen.  Auf die 
übrigen interessanten Baulichkeitcn von Charlottenhof komme ich weiter 
unten zurück.  
ln der ganzen Reihe der anderweitigen Entwürfe Schinkels (die nun- 
mehr vornehmlich den Inhalt der von ihm herausgegebenen grösseren 
Sammlung ausmachen), finden sich nur wenige, in denen der griechische 
Architekturstyl ohne Modificationen der einen oder andern Art angewandt 
ist. Ausser den Plänen für rein monumentale Zwecke, von denen ich 
später sprechen werde, sind in diesem Bezuge zunächst iiur ein Paar 
Werke hervorzuheben. 
Die unmittelbarste Aufnahme des griechischen Styls zeigen die beiden 
kleinen Gebäude zu den Seiten des Potsdamer Thores in Berlin (Heft 
Vlll). Es sind viersäulige dorische Prostyle, durchweg von einer Bein- 
heit und Vollendung der für diese Säulenordnung überlieferten architek- 
tonischen Formen, dass sie geradehin als eine Wiederbelebung des Schön- 
sten, was das classische Alterthum hierin geleistet hat, betrachtet werden 
müssen. Nur in einem Punkte stehen sie gegen die Werke des letzteren 
zurück: in dem Mangel der dekorirenden Theile (der Akroterien und des 
freieren Schmuckes in den Giebeltlächen und Metopen), die für einen 
vollkommen abschliessenden Eindruck des Ganzen theils wünschenswerth. 
theils aber auch, wie es mir scheint, nothwendig sind. Doch ist hierbei 
zu bemerken, dass wenigstens die leichtere Weise, in welcher einzelne 
Theile dieser Dekoration bei den Griechen zuweilen (und ohne Zweifel 
eben bei Gebäuden eines minder ausgezeichneten Ranges) ausgeführt wur- 
den, ich meine die Anwendung gemalter Darstellungen statt sculptirter, wie 
überhaupt der grössere Reichthum der gesammten (theils gemalten, theils 
plastischen) Dekoration, erst in Folge der jüngsten Forschungen näher 
bekannt geworden ist.  Eine einfache Aufnahme der griechischen Formen 
zeigt ferner die Anlage des Trinkbrunnens zu Aachen (Heft  ein 
Rundbau, dessen vordere Seite durch einen offenen Halbkreis dorischer 
Säulen gebildet wird, und dem sich zu beiden Seiten niedrige Portiken, 
ebenfalls dorischer Ordnung, anschliessen. 
Bedeutender bereits erscheint die Anlage der Hauptwache Ber- 
lins (Heft  Hier macht sich, bei der Anwendung griechischer Bau- 
formen, schon eine eigenthümlich freie Behandlung derselben, sowohl in 
der Hauptanlage, wie auch in besoudern lüinzelheiten, bemerklich. Der 
Körper des Gebäudes hat, seiner kriegerischen Bestimmung gemäss, einen 
kastellartigen Charakter: feste Mauern mit vorspringenden Eckthürmen, 
mit einer kräftigen, reichgebildeten Bekrönung griechischen Styles abschlies- 
seud. Zwischen den beiden Eckthürmen der Vorderseite tritt eine geräu-
	        
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