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Friedrich
Karl
Sclninkal.
sie erst vor wenigen Jahren entstanden ist, zur Eröffnung dieser Ueber-
sicht, indem hier, auf demjenigen Boden, der die schönsten Blüthen
griechischer Kunst getragen hatte, in unmittelbarer Nachbarschaft mit den
Denkmalen der Perikleischen Zeit, unter klimatischen Verhältnissen, die
noch dieselben sind wie vor zweitausend Jahren, wenn auch die anderweiti-
gen Bedürfnisse des Lebens sich verändert haben mögen, eine entschie-
dene Wiederaufnahme der griechischen Bauformen durch eine innere Noth-
wendigkeit bedingt schien, somit die classische Richtung desMeisters sich
ganz in das Element, aus dem sie ihre Nahrung empfangen hatte, versen-
ken durfte. Scheinbar äussere Beschränkungen der Anlage dienten nur
dazu, einer solchen Behandlungsweise des Ganzen noch grössere Berechti-
gung zu geben. Die Monumente, welche, wenn auch zum Theil als Rui-
nen, der Akropolis seit dem Zeitalter des Perikles zur unvergänglichen
Zierde gereicht haben, die Propyläen, das Erechtheum und der Parthe-
uon, durften auf keine Weise durch die neue Anlage beeinträchtigt wer-
den. Selbst in Bezug auf die Höhendimcnsion beschloss Schinkel, dass
wenigstens der Parthenon nach wie vor sein bedeutsames Verhältniss zu
den umgebenden Gebäuden behaupten müsse. Dann war der einzig taug-
liche Platz, der hintere, östliche Theil der Akropolis, auch in seiner
Breitenausdehnung beschränkt. Ein Schluss nach unsern modernen Be-
griffen, von regelmässigem Gruudplan, stolz in vielen Geschossen empor-
gebaut, mit Thürmen und mächtig imponirender Bckrönung, war hier somit
nicht ausführbar. Der Architekt folgte, die gegebene Räumlichkeit mit
Umsicht benutzend, den unregelmässigen Linien, welche die alte Mauer
der Akropolis über {ihrem östlichen Abhange beschreibt, liess auch die
westliche Seite der neuen Anlage harmonisch sich gegen die einzelnen vor-
handenen Gebäude gestalten und führte den ganzen Bau mit Ausnahme
einzelner Theile nur in der Höhe eines I-lauptgeschosses durch. So er-
scheint der Entwurf des Schlosses für den ersten Anblick mehr als ein
Aggregat verschiedener Theile die sich mit den vorhandenen Heilig-
thümern durch mannigfache Gartenanlagen, in denen die im Schntte der
Akropolis aufgefundenen Denkmale aufgestellt werden sollten, zu einem
grossen Ganzen verbinden. Alles dies aber bot eben die günstigste Gele-
genheit, die Räume ganz für die freie Behaglichkeit des südlichen Lebens
und ihre Architektur ganz im eigenthümlichsten Charakter der griechischen
zu gestalten. Hier war es minder nöthig (wie in unserm Norden), den Bau
als eine schirmende Veste gegen das Ungemach der Witterung durchzu-
führen; hier kam es vorzugsweise darauf an, Bedeckung gegen die Strah-
len der Sonne und gegen die kurze Dauer des Winterregens zu gewähren,
im Uebrigen aber der freien Luft so viel Zugang, so viel Bewegung als
möglich zu verstatten. Daher sind im Innern der Anlage verschiedene
rung erfunden und dargestellt von Dr. G. F. Schinkel." Doch sind hiervon erst.
zwei Lieferungen erschienen; die meisterhafte Behandlung der in ihnen enthal-
tenen Blätter, in Stich, Lithographie und Druck, kommt dem wundersamen
Eifekt in SchinkePs Originalblättern nah. Eine Beschreibung und ein kleiner
Grundriss der ganzen Anlage waren bereits früher durch Hrn. A. F. von Quasi;
mitgetheilt: im "Museum, Blätter für bildende Kunst," 1834, N0. 29, und in]
einer besondern Schrift: "Mittheilungen über Alt- und Neu-Athen." 1) Hier-
durch entstand der gresse Vortheil, die ganze Anlage allmählig, je nach den
Bedürfnissen und nach den vorhandenen Geldmitteln, ausführen zu können, wäh-
rend die bereits ausgeführten Theile stets für sich benutzbar gewesen wären.