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Karl Friedrich
um bei dem Gegenstande dieser Betrachtung stehen zu bleiben mit
Einem Schlage einen neuen Architckturstyl erfinden oder, wie von andern
Seiten bereits vorgeschlagen worden, statt des griechischen Styles irgend
einen andern der Vorzcit (z. B. den gothischen) für unsre Zwecke adop-
tiren. Nicht minder ist auch der Umstand in Erwägung zu ziehen, dass
was die Kunst, und vornehmlich die Architektur anbetrifft ein gü-
tiges Geschick uns erst in der jüngsten Vergangenheit die reinen Werke
des griechischen Styles kennen gelehrt hat, während derselbe früherhin
nur in seiner getrübteren Gestalt (in der römischen Nachbildung) bekannt
gewesen war; dass wir somit, durch das Studium der Werke, in den
Stand gesetzt sind, jene geläuterte Harmonie, jenes klare Maass, jenes
feine Gefühl, worin eben die wesentlichen Vorzüge der griechischen Kunst
bestehen, wiederum in uns aufzunehmen und auch die neuen künstleri-
schen Elemente, die wir für unsre heutigen Bedürfnisse anzuwenden für
nöthig finden, in griechischem Geiste durchzubilden. Wir können uns,
falls unsrer Kunst eine grossartigere Zukunft entgegenkommen sollte, einen
architektonischen Styl in das Leben eingeführt denken, der auch in den
Hauptformen sich als ein neuer und eigenthümlicher zeigte, dessen Be-
handlung aber nichtsdestoweniger aus der griechischen Gefühlsweise her-
vorgegangen wäre und dessen Werke somit auf keine Weise fremdartig
(wie z. B. die in gothischem Style ausgeführten Bauten) neben den An-
lagen eines wirklich griechischen Styles daständen. In Schinkels Werken
aber finden wir die merkwürdigsten Andeutungen, im Einzelnen die über-
zeugendsten Resultate in Bezug auf die Ausbildung eines architektonischen
Styls, der die abweichenden Bedürfnisse der Gegenwart nach jenem klas-
sischen Sinne gestaltet.
Die streng klassische Richtung SchinkeTs muss natürlich diejenige, wel-
ehe man im Gegensatze gegen diese als die romantische bezeichnet, aus-
schliessen. Dass ihm gleichwohl die vollkommenste Ergründung der ro-
mantischen (der mittelalterlichen) Baustyle nicht fremd war, dass er auch
in diesen sich mit geistreicher Benutzung aller Mittel, welche sie darbie-
ten, zu bewegen verstand, geht, auch wenn nicht andre Umstände zu die-
sem Schlusse berechtigten, überzeugend aus seinen Architekturgemälden,
aus seinen Entwürfen zu einer vollständigen Restauration der berühmtesten
gothischen Dome (von Cöln, Strassburg, Mailand), sowie besonders aus
seinen, für die königlichen Theater zu Berlin entworfenen Dekorationen
hervor. In diesen weiss er die Bilder der verschiedensten Zeiten, der
verschiedensten Culturperioden, in deren jedesmalige Eigenthümlichkeit
der Beschauer eingeführt werden soll, lebendig und in ihrer ganzen Be-
deutsamkeit zu entfalten. Eine unmittelbare Anwendung solcher Studien
auf die Architektur selbst findet in seinen Werken nicht statt, und wo
zumeist ohne Zweifel auf äusseren Anlass einzelne seiner architek-
tonischen Werke in einem romantischen Style angelegt sind, da tritt
nichtsdestoweniger die Consequenz jener Richtung wiederum charakteri-
stisch hervor. Denn natürlich konnte es bei der romantischen Reactioir
die unsre gesammte Kunst in den ersten Decennien dieses Jahrhunderts
durchzumachen hatte, nicht fehlen, dass auch hieven sich Einwirkungen
in seinen architektonischen Leistungen zeigen mussten, dass auch von ihm
Entwürfe in einem mittelalterlichen Batistyle begehrt wurden. So finden
sich mehrere Werke von ihm (theils ausgeführt, theils nur im Entwurfe),
welche der Richtung des gothischen Baustyles folgen. Aber Schinkcl be-