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Karl
Friedrich
Schinkol.
war, ward der Erde übergeben. Er war von uns geschieden; aher wir
fanden Trost und Beruhigung in dem Gefühle, dass fttr ihn ein neuer
Tag angebrochen war, und wir vermochten cs, das Bild, das er von sich
in unserm Geiste hinterlassen, wiederum rein und ungetrübt anzuschauen.
Wenigen Menschen war so, wie ihm, das Gepräge des Geistes aufge-
drückt. Was in seiner Erscheinung anzog und auf wunderbare Weise
fesselte, darf man nicht eben als eine Mitgift der Natur bezeichnen. Schin-
kel war kein schöner Mann; aber der Geist der Schönheit, der in ihm
lebte, war so mächtig und trat so lebendig nach aussen, dass man diesen
Widerspruch der Form erst bemerkte, wenn man seine Erscheinung mit
kalter Besonnenheit zergliederte. In seinen Bewegungen war ein Adel
und ein Gleichmaass, in seinem, Munde ein Lächeln. auf seiner Stirn eine
Klarheit, in seinem Auge eine Tiefe und ein Feuer, dass man sich schon
durch seine blosse Erscheinung zu ihm hingezogen fühlte. Grösser aber
noch war die Gewalt seines Wortes, wenn das, was ihn innerlich beschäf-
tigte, unwillkürlich und unvorbereitet auf seine Lippen trat. Dann ilifne-
ten sich die Pforten der Schönheit; die tausend und aber tausend hem-
menden Schrauken, welche das Leben des Tages aufgestellt hat, verloren
mehr und mehr an Kraft, bis sie zuletzßgänzlich zu verschwinden schie-
nen; die Bilder eines idealen Lebens, wie wir uns Griechenland in den
Zeiten seiner schönsten Blüthe so gern vorstellen, zogen klar und beseli-
gend an uns vorüber; bis das Gespräch zum Schlusse dennoch auf die
Anforderungen des Tages zurückkehren musste und in wehmüthigen
Akkorden der Sehnsucht verklang. Ich habe zu Schinkel nicht in
einem näheren Verhältnisse gestanden; doch habe ich zuweilen das
Glück gehabt, dass er mich einer vertraulichen Unterredung solcher
Art würdigte. Könnte ich jetzt wiedergeben, was er in jenen Stunden zu
mir gesprochen! Wohl hat mich's schon mehrfach bitter gereut, dass ich
nicht unmittelbar nach diesen Gesprächen die Feder zur Hand genommen
und getreulich aufgezeichnet habe, was mir von seinen Worten im Ge-
dächtniss geblieben war. Jetzt würde ich unbedenklich allzuviel des Mei-
nigen hinzuthun. Der Eindruck, den die schönsten Stellen in Winckel-
mann's Schriften nach dem Lesen in uns hinterlassen, giebt ungefähr einen
Begriff der Stimmung, welche durch SchinkePs Worte angeregt wurde.
SchinkePs äusseres Leben erscheint uns, etwa mit Ausnahme seiner
früheren Jahre, einfach als das eines Geschäftsmannes, der freilich durch
die Ueberlegenheit seines Geistes schnell von Stufe zu Stufe emporstieg.
Um so reicher jedoch ist unbedenklich sein inneres Leben gewesen. Den
Eutwickelungsgang seines Inneren, seines Geistes und seines Talentes zu
verfolgen, müsste für uns im höchsten Grade anziehend und belehrend
sein; aber eine Darstellung solcher Art kann nur von Denjenigen gegeben
werden, welche ihm nahe genug standen, um ihn in der geheimen Werk-
stätte seines SchalTeDS zu beobachten, und denen er willig sein Inneres
erschloss. Dann lässt sich's fast mit Zuversicht voraussetzen, dass es für
solche Darstellung auch nicht an mancherlei wichtigen schriftlichen Urkun-
den, Briefen u. dergl. mangeln werde. Zwar war Schinkel vor Allem
Künstler, und er wird sich als solcher am liebsten des Stiftes und des
Pinscls bedient haben, um seine Gedanken auszusprechen; zugleich aber
war er auch der Feder mächtig, wie man es bei den Künstlern nicht
häufig findet; ein Paar Aufsätze, deren am Sehlusse der folgenden Be-
trachtungen gedacht ist, geben dessen ein sehr gültiges Zeugniss. Möge