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Berichtß,
Kritiken,
irterungen.
scheint ebenso wohl bedacht. Nicht minder die eigentliche (Jomposition
des Monumentes. Wir sehen die Gestalt des Helden vor uns, wie er sich
auf den hohen germanischen Schlachtschild stützt, "mit dem linken Fuss
den römischen Adler und die Fasces, das Zeichen der Sklaverei, zu Bo-
den tritt und mit der Rechten das Schwert in die Lüfte erhebt, Sieg und
Freiheit den deutschen Gauen zu verkünden.
Doch können wir nicht umhin, gegen die besondre Behandlung dieser
Gestalt, wie uns dieselbe in der ausgeführten Lithographie, die uns
vorliegt, entgegentritt, ein Paar Bemerkungen auszusprechen. Für's
Erste eine Notiz in Bezug auf das Kostüm. Der Künstler scheint uns das
letztere sehr wohl getroifen zu haben, mit Ausnahme des Mantels, den er
in weiten und langen Dimensionen angenommen und der Gestalt in kunst-
reichen Falten umgehängt hat. Dies streitet eines Theils gegen die histo-
rische Ueberlieferung, indem 'l'acitus (Germ. c. 17) ausdrücklich berühmt,
dass allen Germanen das Sagum (ein kurzer Mantel) zur Bedeckung ge-
dient habe. Bei einem langen, faltenreiehen Mantel" haben wir, abgese-
hen davon, dass er für den Gebrauch im Kriege ganz unpassend wäre.
einen ungleich mehr entwickelten Culturzustand vorauszusetzen, indem
das Tragen eines solchen ungleich mehr Ruhe des äusseren, somit auch
mehr Ruhe des inneren Lebens bedingt, als wir bei den Germanen jener
Zeit irgend annehmen dürfen. Ich erinnere an das Studium, ÖESSCII die
Römer zum bequemen Tragen der Toga bedurften. Andern Theils aber
dürfte dieser Mantel auch für die ästhetische Wirkung nicht sonderlich
vortheilhaft sein. Denn da das Standbild. vornehmlich auf fernere Gesichts-
punkte berechnet sein soll, so scheint es nothwendig, dass sich vor Allem
der Hauptumriss deutlich, ich möchte sagen: silhouettenartig, hervorhebe,
was bei dieser Figur, bei welcher mehr nur die ästhetische Wirkung in
der Nähe berechnet sein mag, nicht füglich stattfinden kann. Vielleicht
hat der Künstler dem Ganzen hiedurch mehr Masse geben wollen; doch
möchte auch eine solche Absicht nicht genügend gerechtfertigt sein, da
Massenwirkung der Art immer ein gegenseitiges Verhältniss (etwa zu einem
Bauwerke) voraussetzt, ein solches hier aber nicht vorhanden ist. End-
lich dürfte auch der Umstand in Erwägung zu ziehen sein, dass die Statue
den heftigsten Stürmen ausgesetzt sein wird, dass sie 40 Fuss hoch und
aus Kupfer getrieben die grösste Sicherstellung nothwendig macht, dass
letztere aber durch den weiten Mantel, der dem Winde eine volle Fläche
darbietet und dem sich überdies der grosse Schild zugesellt, sehr gefähr-
det sein dürfte.
Ein zweites Bedenken trifft die Formation der Gestalt selbst. Der
Künstler hat ohne Zweifel dem Helden des alten Germaniens das Gepräge
der grössten Körperkraft geben wollen, aber er ist dabei soviel wenig-
stens die zwar sorgfältig ausgeführte grosse Lithographie erkennen lässt,
über die Grenze hinausgegangen. Statt kräftig entwickelter, zu aus-
dauernder Anstrengung geeigneter Körperformen, führt er uns breite, fast
gedunsene, vor. Auch die Stellung der Figur selbst, obgleich in den
Hauptmotiven sehr wohl gedacht, erscheint ziemlich schwer und ohne eine
frische, lebenvolle Elastieität. Man mag hiegegen vielleicht behaupten,
dass die grosse Höhe des Standpunktes stärkere Formen nöthig mache,
damit dieselben, den optischen Gesetzen gemäss, nicht umgekehrt als mager
erscheinen. .Wir wollen dies gelten lassen; aber eine derartige, vielleicht
nothwcndige Abweichung von der Naturform wird nur mit der allergröss-