Volltext: Kleine Schriften über neuere Kunst und deren Angelegenheiten (Bd. 3)

Die Gemäldesaxx 
mlung 
des 
Schwed. 
151115 
Wagener 
iu Berlin. 
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durch jene Reactionen herbeigeführt waren. Unter diesen ist die bedeut- 
samste diejenige, welche die Formenreinheit des classischen Alterthums 
neu zu gestalten bestrebt war: einen Nachklang derselben dürfen wir, 
wenn auch vielleicht durch anderweitige Einllüsse modificirt, 11. a, in 
den Gemälden von G. v. Kügelchen, welche die Sammlung enthält, 
erkennen. 
Die jüngste Reaction war diejenige, welche, fast im direkten Wider- 
sprueh gegen die genannte, das Wesen der mittelalterlichen Kunst, deren 
eigenthümlichster Vorzug nicht sowohl in der äusserlichen Form als in 
dem Ausdrucke des Gemüthslebens beruht, neu zu erwecken strebte. Ihr 
verdanken wir jene zartere Beseelung, welche das Eigenthum derheutigen 
Kunst geworden ist; sie bildet die letzte Entwickelungsstufc derselben. 
Vielfach, zum Theil mit grosser Ausschliesslichkeit. ging man dabei auch 
auf die ganze Darstellungsweise der mittelalterlichen Kunst zurück; aber 
dies war kein Ergebniss leerer Willkür, vielmehr zeigt sich in dieser 
ganzen Periode ein eigenthümlich romantischer Sinn vorherrschend, der in 
mannigfachen Erscheinungen auch selbständigere Leistungen hervorgebracht 
hat; Beispiele hiefür bieten uns unter den im Folgenden verzeichneten 
Gemälden u. a. die Compositionen Kolbe's, die Landschaften Frie- 
drich's, die Architekturbilder von D. Quaglio, vornehmlich aber die 
Landschaften Schinkehs, an denen die Sammlung einen seltenen Besitz 
enthält und die, durch eine bedeutende Reihe würdiger Copieen vermehrt, 
einen Ueberblick über diesen Theil von Schinkels künstlerischer Thätig- 
keit gestatten, wie solcher vielleicht in keiner andern Sammlung gefun- 
den wird. 
Das letzte Jahrzehnt (oder doch nur eine wenig längere Zeit) hat 
nach solchen Vorgängen eine neue deutsche Malerei von durchgreifendcr 
Selbständigkeit, von mehr und mehr vollendeter Ausbildung, von grösstem 
Reichthnme der Leistungen erstehen sehen. Nicht findet hiebei eine Ver- 
läugnung, ein Widerspruch gegen das in den jüngst vergangenen Perioden 
Erworbene statt; Formenstudium und gemüthvolle Durchdringung des 
Gegenstandes vereinigen sich mit einer durchgebildeten malerischen Tech- 
nik, um ein möglichst gediegenes Gleichmaass innerlichen und äusserlichen 
Lebens hervorzubringen. Vor Allem aber ist es jene vollkommene Frei- 
heit der Kunst, welche die sämmtlichen Gebiete der Natur und des Lebens 
erfasst, was auch hier. wie in jenem Beginn der neuen Zeit, in beachtens- 
werther NVeise hervortritt. Nicht ausgeschlossen ist das Heilige, aber man 
bemüht sich, dasselbe menschlich nahe zu führen; nicht ausgeschlossen 
ist der geringste Gegenstand, welcher der irdischen Existenz angehört, 
aber man lässt es sich angelegen sein, denselben mit aller Liebe des Lebens 
zu umfassen, und auch in dem scheinbar Leblosen den Widerschein der 
eignen Seelenstimmung auszudrücken.  Dass hiedurch übrigens nicht 
eine absolute Abschätzung des WVerthes zwischen alten und neuen Kunst- 
werken ausgesprochen, dass vielmehr nur auf das verschiedene Streben, 
auf die verschiedene Richtung derselben hingedeutet sein soll, braucht 
wohl nicht in Erinnerung gebracht zu werden. 
Eine schärfere Auffassung des Gesatnmt-Charakters unsrer neueren 
Kunst wird gegenwärtig indess wiederum dadurch erschwert, dass dieselbe 
sich in verschiedenen Kreisen verschieden ausgebildet hat. lm Allgemei- 
nen sind diese Kreise nach den beiden Gegensätzent in welche deutsches 
Leben und deutsche Weise zu aller Zeit auseinander traten, zu unter-
	        
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