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nur einen Theil des ersten, so dass dieser Gegensatz bei höherer Betraeh-
tung sich wiederum auflösen muss. Die Werke der Wissenschaft und die
Werke der Kunst sind es, die in solcher Art das Vorübereilende in ein
Bestehendes, in ein Mess- und Erkennbares umwandeln. Aber die Werke
der Wissenschaft sind nur den geringen Kreisen der Eingeweihten zugäng-
lich: die Werke der Kunst sprechen zu dem Sinn und dem Geiste eines
jeden Empiänglichen. In den Worten unsrer Dichter, in den Tönen unsrer
Componisten, in den Schöpfungen unsrer Maler, Bildner und Architekten
tritt uns das geheime Seelenleben unsrer Zeit, dasjenige, was ihren Hand-
lungen und Ereignissen den verborgnen Impuls, die dunkle Richtung giebt,
fühlbar und anschaulich entgegen. In ihnen läutert sich das mannigfach
verworrene Streben zum klaren und aufklärenden Bewusstsein.
Natürlich aber muss, wie bemerkt, bei Betrachtung des einzelnen Wer-
kes auf die Persönlichkeit des einzelnen Künstlers und auf den Einfluss
desjenigen Kreises, dem er zunächst angehört, Rücksicht genommen wer-
den; unabhängiger hievon kann man nur dann über die im Allgemeinen
zu Grunde liegende Richtung urtheilen, wenn. man eine grössere Reihen-
folge von Werken zu überblicken im Stande ist. Nur eine Sammlung
von gleichzeitigen Kunstwerken lehrt uns diese Richtung erkennen. Dazu
aber eignen sich vorzugsweise die bildenden Künste, die im Raume neben
einander angeschaut werden können, und unter ihnen keine in gleichem
Grade wie die Kunst der Malerei. Eine genügend ausgedehnte Sammlung
von Gemälden unsrer Zeit wie die in Rede stehende Sammlung ein
solches Beispiel darbietet wird uns somit das augenfälligste, klarste,
umfassendste Bild von der Sinnes- und Gcfühlsweise unsrer Zeit vorzu-
führen im Stande sein.
[)0ch ist hiebei noch ein besondrer Punkt zu bevorworten. Wirk-
liche, reale Vollständigkeit einer solchen Sammlung ist nicht wohl mög-
lich; alles Bedeutende, was die Zeit an WVerken der Art hervorbringt.
kann nicht an Einem Orte zusammengebracht werden; es kann sogar
ganze Richtungen der Kunst geben, deren läigenthümlichkeit schon den
äusserlichen Bedingnissen des Sammelns widerspricht. Und gerade ein
solcher Fall, der von sehr grosser Wichtigkeit für die Kunst der Gegen-
wart ist, findet heutiges Tages statt. Um jene grossartigen Freskomalereien
von München, welche durch das Wort eines kunstbefreundeten Herrschers
zur bedeutungsvollen Zierde seiner Residenz hervorgerufen sind, kennen
zu lernen, müssen wir unsre Schritte zu den Stätten, WO Sie ausgeführt
wurden, hinwenden; sie sind an ihre Stelle festgebunden, ihre Bedeutung
ist vorzugsweise an diese Stelle geknüpft; und selbst wenn man ähnliche
Werke, auf beweglichem Material geschaifen, fordert, so werden zu ihrer
Aufstellung Räume in Anspruch genommen, wie sie wenigstens nur im
seltnen Falle zu linden sind. Immerhin aber können Mängel dieser Art
wiederum, ob auch auf bedingtere WVeise, ausgeglichen werden. Wo so eigen-
thümliche Richtungen, wie die eben genannte, vorherrschen, da werden
diese auch auf andre, in der räumlichen Ausdehnung mehr untergeordnete
Gattungen der Kunst einen bestimmten und bestimmenden Einfluss aus-
üben; da werden die letzteren, in dem besondern Gepräge ihrer Sinnes-
und Gefühlsweise, nothwendig aufjene vorherrschenden Richtungen zurück-
deuten müssen. Wie das Bild eines Gebirgszuges , welches auf der
Fläche von wenigen Zollen ausgeführt ist, doch die bestimmte Idee von
den Formen einer mächtigen Naturerscheinuug giebt; wie der Botaniker