Karikatur
der
Engländer.
Cruikshanldscher Bilder aufmerksam durchblättert haben, so ist es uns zu
Muthe, als 0b wir in eine tolle Walpurgisnacht hineingerathen wären, und
alle das Hexengesindel umtanze uns in wilden Sprüngen. Mitleid ergreift
uns dann über die einzelnen edleren Gestalten, welche hin und wieder
zwischen den grinsenden Larven hervortauchen; und gar ist es sinneverwir-
rend, wenn wir bemerken, dass der ganze aberwitzige Spuk eigentlich aus
Leuten besteht, die mit uns in einem Dorfe wohnen und die zu anderen
Zeiten ganz und gar wie ehrliche Leute aussehen. Erhöht wird dieser
seltsame Eindruck in dem genannten Werke noch durch das fabelhaft steife
Kostüm des vorigen Jahrhunderts, welches, den dargestellten Scenen ge-
mäss, in sämmtlichen Bildern wiederkchrt. Das Herauswenden jener un-
heimlichen diabolischen Seite im Menschen erinnert nicht selten an Hoff-
mann's Erzählungen; schwerlich würde Cruikshank passendere Anknüpf-
uugspunkte für seine phantastischen Schöpfungen finden können.
Diese durch Cruikshank am schärfsten bezeichnete subjective Richtung
wird auch von andern englischen Karikaturisten mit grösserem oder gerin-
gerem Glucke verfolgt; zugleich aber auch jene ruhigere objective, welche
sich mehr darauf beschränkt, die Thorheiten der Zeit zu verspotten. Als
Ausartung aber müssen wir es bezeichnen, wenn, was ebenfalls nicht all-
zuselten bei den Engländern vorkommt, beides in ein leeres Vergnügen an
zwecklos widerwärtigen und hässlichen Bildungen der menschlichen Ge-
stalt übergeht. In dem „C0mic anuual by Thomas Hood" ist leider,
neben manchen wahrhaft humoristischen Blättern, ein grosser Theil der
Holzschnitte also beschaffen.
Unübertrotfen sind die Engländer in der politischen Karikatur: vielleicht
weil hier Künstler und Publikum in der schärfsten Wechselwirkung stehen.
Auch hier wird, wie bei der Karikatur überhaupt, ein Gemeines, ein Be-
schränktes, an die Stelle des Allgemeinen gesetzt; auch hier kommt es
darauf an, im Gegensatz gegen eine leitende Idee, zu der hin sich das
Leben der Völker entwickelt, letzteres lediglich als ein wüstes, thörichtes
Spiel, dazu es ohne jene Idee wird, darzustellen. Das wissen die Eng-
länder auf mancherlei Weise zu lösen, zumeist durch den Kunstgriff,
dass sie die grossen Ereignisse des öffentlichen Lebens auf eine lustig
allegorische Weise in die Beschränktheiten des Privatlebens herunterziehen.
Zu den geistreiehsten politischen Karikaturen gehören die Lithogra-
phieen des „Caricature annual." Schon das Titelblatt des vorliegenden
Heftes dieser Annalen (1831, vol. 2.) bezeichnet die angegebene Richtung.
Es stellt, in einem von Reben umschlungenen Rahmen, einen fröhlichen
Fischer am Ufer eines Baches dar; sämmtliche Fische aber, sowohl die
bereits gefangenen, als diejenigen, welche noch unten im NVasser umher-
schwimmen, tragen auf naive Weise Menschenköpfe, und zwar sehr charak-
teristische Portraits. Die Unterschrift erklärt die Absicht des Zeichners;
sie dürfte sich etwa so übersetzen lassen:
Wie Waltonl) einst, der Alte, am sanftgewundenen Bach
Den Karpfen und Forellen mit Angeln stellte nach,
Also beliebt es mir, am Strom der Zeit zu sitzen,
Zu fischen nach den Grillen, Thorheiten oder Witzen
Von gruss und kleinen Leuten. Schlagt um! so üudet ihr
Gekocht, was ich geüscht half, auf mancherlei Manier-
Verfasser
eines
berühmten
alten
Augelbuches.