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Kritiken,
Berichte,
Erörterungen.
sonders in der Gewandung, behandelt und einigen sich mit dem häuslichen
Geräth ungezwungen zum treftlichsten Ganzen.
Wir holten, dass das Unternehmen in rascher Folge vorsehreitcn werde.
Bereits 200 Platten mit den neusten Werken Thorwaldsens liegen fertig
vor. Das zweite und dritte Heft werden Schillers Denkmal zu Stuttgart
und Gutenbergs Denkmal zu Mainz enthalten.
Gutenbergs
VOII
Denkmal
Thorwaldsen.
Vielleicht als Vorläufer des dritten Heftes der im Vorigen besproche-
nen neuen Ausgabe von Thorwaldsens Werken sind in demselben Verlage
zwei mit lithographischer Kreide gezeichnete Blätter erschienen, deren
eines die für Mainz gearbeitete Statue des Erfinders der Buchdruckerkunst,
das andre zwei Basreliefs des dazu gehörigen Piedestals darstellt. Sie
lassenauns eine, wenigstens allgemeine Vorstellung dieses so vielfach ge-
priesenen Werkes zukommen und geben uns zu einem selbständigen, von
Zeitungsberichten unabhängigen Urtheil über dasselbe Gelegenheit.
Betrachten wir zunächst das erste Blatt. Eine kräftige männliche Ge-
stalt steht dem Beschauer in ernster und ruhiger Stellung gegenüber. Ein
langer faltiger Rock mit einem Pelzkragen, nach vorn weit geöffnet, fällt
in grossen Linien von den Schulterrrnieder und gestattet einen freieren
Anblick der edeln Körperbildttng, die sich, was namentlich die Beine be-
trifft, unter der leicht anschmiegenden 'l'ricot-H0se nur in gewissem Maasse
beengt zeigt. Die rechte Hand, niedergesenkt, hält einige Buchstaben und
Stempel; in der Linken, die vor die Brust emporgehobcn ist, ruht das Buch
der heiligen Schrift. Das Haupt ist mit einer kleinen Pelzmütze bedeckt;
vom Kinn iliesst ein langer, zwiegespaltener Bart auf die Brust herab. Das
Ganze der Gestalt trägt das Gepräge eines männlichen Ernstes; in dem
Wechsclverhältniss der Linien untereinander, in dem Gleiehmaass der ein-
zelnen Theile spricht sich eine schöne Ruhe und Lauterkeit des plastischen
Gefühles aus, was auf das Auge des Beschauers zunächst einen anziehen-
den, bedeutsamen Eindruck hervorbringen muss.
Bei längerem Anschauen jedoch vermissen wir Etwas in der Erschei-
nung dieser Gestalt. Die eben angedeuteten Vorzüge, in denen uns nur
mehr allgemeine Eigenschaften vergcgenwärtigt werden, genügen uns nicht;
wir wollen tiefer in das persönliche Wesen, in den eigenthümliehen Cha-
rakter, in die selbständige Bedeutung dieser Gestalt, die uns zu Anfange
so imponirend entgegen getreten ist, hineinblicken, aber es wird uns nur
wenig solcher näheren Bezüge dargeboten. Bei einer nackten Gestalt ist
es der körperliche Organismus, und zwar die besondre mehr kräftige
oder zarte, mehr strenge oder weiche Durchbildung desselben, was eine
bedeutende Gesammt-Erseheinung in ihrer nothwendigen Gliederung erken-
nen lässt. Bei einer frei gewandeten Gestalt (vornehmlich im Sinne des
klassischen Alterthums) ist es jenes eigenthümliche Linienspiel der Falten,
was einem mannigfaeh wiederholten und gebrochenen Echo vergleichbar,
auf die Eigenthümlichkeit der körperlichen Ausbildung zurückdeutet und
wiederum eine so oder anders geordnete Gliederung hervorbringt. Hier
aber ist, wenigstens in den Haupttheilen der Figur (in der von der glatten
Weste umschlossenen Brust, in den Hosen, welche Leib und Beine bedecken),
ein Mittelding von Nacktheit und von Gcwandutig, das weder die Schütt-