Erinnerungen
Spanien.
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liegenden Gefühle, lassen nicht selten auch diejenigen spanischen Archi-
tekturen erkennen, welche dem christlichen Mittelalter angehören. Doch
ist unsre Kunde von diesen Gebäuden bisher durch bildliche Anschauung
nicht in gleichem Grade begünstigt worden; so müssen wir das hier Dar-
gebotene, wie wenig Punkte dasselbe auch nur berührt, doch mit vorzüg-
lichem Danke aufnehmen. Zuerst erwähnen wir des schon genannten
Orangenhofes vor der Kathedrale zu 'l'aragona (T. 5). Der erläuternde
Text bemerkt hiebei: "Eine wesentliche und überaus reizende Eigenthüm-
lichkeit der I-lauptkirchen Spaniens ist der mit jeder derselben in Verbin-
dung stehende mit verschiedenen Bäumen und Brunnen des klarsten,
mit Fischen belebten Wassers benetzte Garten, von der darin vorherr-
sehenden Baumgattung "Orangen- oder Myrthenhof" genannt. Wer die
lnnigkeit jener Gefühle kennt, mit der die heilige Dämmerung eines ehr-
würdigen alten Domes das Gemüth umfasst, und in dieser Stimmung aus
jenen dunkeln Träumen in diesen luftigen heitergrünen und stillen Vorhof
tritt, wird eine Wonne empfinden, die kein Baustyl erregen kann, der
nicht die Elemente des murmelnden Wassers, der sinnigen Pflanzen und
des heiteren Himmels mit den Gebilden phantastischer Sculpturen so innig
zu verbinden weiss. Der Grund der Entstehung dieser für Jedermann
zugänglichen Kirchengärten ist gewiss climatisch, und findet sich bei der
alten Moschee von Cordova, wie bei allen christlichen Kirchen der frühe-
sten Zeit in Spanieni). Die Kathedrale in Taragona selbst soll römischen
Ursprungs, und nachdem sie 1299 zur christlichen Kirche umgewan-
delt eingestürzt und so lange verlassen geblieben sein, dass Bänme.
welche in ihrem Innern wurzclten, weit über das Gemäuer emporgeragt
haben. Ihre zweite Restauration im spanisch-gothischen Style mit dem
Vorhofe von vergrössertem Umfange mit zweifachen, übereinander stehen-
den Bogengängen umgeben, widerstand den Unbilden der Zeit bis auf jene
des Befreiungskrieges im Jahre 1810, welche sie jedoch auch nicht weiter,
als bis zu der pittoresken Ruine zerstören konnten, in der sie sich neben
ihrem Orangenhofe auf dem fünften Blatte darstellt, und mit der dunklen
Farbe ihrer Ziegel einen malerischen Anblick gewährt." Auch dieser Ge-
genstand ist bereits in Delsbordds Reise, sogar von einem nur wenig ver-
schiedenen Standpunkte aus, dargestellt worden, doch nicht mit gleicher
Genauigkeit in leichter Auffassung der architektonischen Details. Höchst
interessant ist die Structur des (unteren) Bogenganges im Kreuzhofe: leichte
Halbkreisbögen, von Säulen getragen, ihrer drei von einem höheren Spitz-
bogen zusammengefasst, die Spitzbögen aber durch Pfeiler und Halbsäulen,
welche bis zu dem buntgeschmückten Gesimse emporlaufen, von einander
getrennt. Darüber erheben sich die hohen kahlen Mauern der Kirche, die
1111! a" der, mit horizontalem Gesims abgeschlossenen Giebelfront durch
e?" gQlhiSChes Radfenster ausgefüllt werden. Sehr alterthümlich macht
sich die Chornische, deren Gesims von Rundbögen getragen wird, welche
auf gwsseren oder kleineren Consolen ruhen; es hat Etwas, das auf den
ersten ADbllCk an römisches Werk erinnern möchte.
i) Eine solche Einrichtung gehört überhaupt zu der ältesten Anlage christ-
licher Kirchen und findet sich ebenso in den Beschreibungen der altrömischen
Basiliken, wie in der Sophienkirche zu Constantinopel. Auch finden sich in
lauen noch mannigfache Reste von Anlagen ähnlicher Art.