Bilder und Worte.
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den Worten des Dichters, des Erzählers Anschauung und Hintergrund, wie
zu dem Dialog des Dramatikers Kostüm und Scenerie. Man hat ein sol-
ches Streben wohl als verderblich geschulten; doch ist dies, wenn ich
nicht irre, ein einseitiger Vorwurf: verderblich wär es allerdings, wenn es
eben das letzte Ziel für Kunst und für Poesie bilden sollte; wo aber das
eine von ihnen sich in anmuthigem Spiele dem andern unterordnet, um
seinen Eindruck zu verstärken, seine Stille zu beleben, seinen ErIJSl Zu
erheitern, da kann nur ein befangenes Auge eine Beeinträchtigung voraus-
sehen.
Die mannigfachen bildlichen Darstellungen, welche Retzsch, Ruhl
und Andre zu Dichtcrwerken geliefert, sind bekannt; ebenso die geist-
und poesiereichcn Randzeichnungen Neureutheüs zu den Liedern deut-
scher Dichter. Auch von Reinicks interessantem Unternehmen, der
seine Gedichte, mit Original-Radirungen Düsseldorfer Maler geschmückt,
herausgiebt, ist bereits in diesen Blättern gesprochen. Wir haben Gelegen-
heit, noch über eins oder das andre von Arbeiten ähnlicher Art, einige
Bemerkungen vorzulegen.
Als ebenfalls aus der Düsseldorfer Schule hervorgegangen, müssen wir
die Radirungen anführen, welche Adolph Schrödter im vorigen Jahre
zu der wohlbekannten "wundersamen Geschichte Peter SchlemihPs" von
A. v. Chamisso geliefert hat. (Chamissos Werke, Leipzig 1836, vierter
Band). Es sind vier Blätter, in jener leichten, geistrcichen Weise gear-
beitet, welche Schrödter so eigen ist. Der Künstler trat hier nicht ohne
Nebenbuhler auf. Chamisso's Lesern sind die Radirungcn des Engländers
G. Cruikshank bekannt, welche die englische Uebersetzung des Schlemihl,
und in Nachstichen die späteren deutschen Ausgaben desselben, schmück-
ten. Aber in den Auffassungen beider Künstler herrscht soviel verschie-
dene Eigenthümlichkeit, dass wir sie gleichwohl eine wie die andre gelten
lassen dürfen. Cruikshank ist, wie überall in seinen Werken, phantasti-
scher, ich möchte sagen phantasmagorischer, Schrödter mehr auf dem
Boden der realen Anschauung. An Humor fehlt es Beiden nicht. Was
bei Schrödter am meisten anzieht, ist, auf dem ersten und letzten Blatt,
die Gestalt des dürren, unheimlichen grauen Mannes, den er so dargestellt
hat, dass man hier in der That an seine Existenz glauben kann; es ist
zugleich ein kluger Teufel und zugleich ein dummer 'l'eufel, und dabei
fehlt es ihm, trotz seiner unheimlichen Trockenheit, nicht an derjenigen
Körperlichkeit, die einmal zum Leben in der menschlichen Gesellschaft
nöthig ist. Der Schlemihl selbst hat dem Referenten nicht ganz so wohl
zugesagt; er hat wohl das Ungeschickte von Chamissols Helden, weniger
jedoch von dessen innerer Liebenswürdigkeit. Jedenfalls ist es erfreulich.
ein so hohes Talent, wie das Schrödtefs, auch in einer solchen Stellung
zum Publikum zu sehen.
Noch ein andres Werk wird so eben begonnen, für dessen Ausschmük-
kung Künstler der Düsseldorfer Schule thätig sind: "Rlieinlands Sagen,
Geschichten und Legenden, herausgegeben von A_ Reumont, Köln und
Aachen, 1837", mit acht Stahlstichen nach Zeichnungen von Kretzsch-
mer, Plüddemann, Rethel und Sonderland. ln dem ersten Heft,
welches uns so eben vorliegt, machen wir besonders auf das Blatt auf-
merksam, welches nach einer Zeichnung von Rethel von Ernst Rauch
mit Sauberkeit und gehaltener Kraft gestochen ist. Es stellt Kaiser Karl
den Grossen dar, der am Ufer des Frankenbergef Sees sitzt und in die