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Berichte, Kritiken,
Erörterungen.
reicher und der preussischen Grenadiere einander gegenüber, letztere im
Begriff, mit gefalltem Bajonett auf die Oesterreicher einzudringen. Diese
Massen-Anordnung wirkt sehr günstig und selbst das, im Einzelnen nicht
eben malerische Kostüm gewinnt hiedurch und durch den gemeinsamen
gmssartigen Zug der Bewegungen eine eigenthümliche Bedeutung. Dabei
ist zugleich nichts Steifes, nichts was vorwiegend an das Exercitium erin-
nerte, vielmehr im Einzelnen überall dieselbe individuelle Kraft und Fri-
sche, welche wir schon bei den meisten der vorigen Blätter rühmenrl
hervorheben mussten; trefflich ist die Episode mit dem österreichischen
Ausreisser, der durch den Corporal in die Schlacht zurückgeprügelt wird.
Zu wünschen bleibt bei diesem Bilde nur, dass der beginnende Sieg der
Preussen schärfer angedeutet, und dass die Figuren der Verwundeten
im Vorgrunde etwas mehr in künstlerischer Weise angeordnet sein möchten.
10. Schlacht bei Leuthen, 1757. Friedrich der Grosse, im Kreise
seiner Generals, indem er ihnen die denkwürdige Anrede vor der schick-
salsvollen Schlacht hält. Auch diese Composition ist gut geordnet und
alle Figuren voll Charakter und Lebenstüchtigkeit. Doch dünkt uns hier
die Wahl des Stoffes wiederum sehr wenig passend. Man sieht eben nur,
dass ein Feldherr zu seinen Generaleu spricht und dass diese ihm mit
Ergebenheit zuhören; die ergreifenden Worte des Königs waren nicht dar-
zustellen, und um so weniger, als die Sitte des achtzehnten Jahrhunderts
bei den Zuhörenden einen lebhafteren Erguss der Begeisterung verbieten
musste. Noch weniger ahnt man es. dass hier derjenige glorreiche Tag
dargestellt werden sollte, welcher das Schicksal Preussens entschied.
11. Die Freiwilligen! 1813. Die Strassen einer norddeutschen
Stadt, durch welche sich der Zug der ausmarschirenden Freiwilligen hin-
bewegt; schöne, begeisterte Männer und Jünglinge, denen man es ansieht,
dass der Krieg ihnen kein Handwerk ist, sondern dass sie, friedliche Bür-
ger, die Waffen zur Vertheidigung des Heiligsten ergriffen haben. Zu den
Seiten ältere Männer, Knaben und Frauen, die den Fortziehenden in ern-
ster Trauer nachblicken und Abschied nehmen. Die Composition würde
jener der einwandernden Salzburger an Treftlichkeit nahe stehen, wäre
nicht die Kleidung der Frauen mit zu grosser Aengstlichkeit in der höchst
unschönen Mode jener Zeit gehalten und gerade dadurch der Eindruck
des Ganzen wesentlich beeinträchtigt.
12. Victoria! Der Abend der Völkerschlacht von Leipzig. Im
Vorgrunde des Bildes sitzen Verwundete, tief Ermüdete, tief Nachsinnende.
Hinter ihnen, etwas erhöht, eine Gruppe von Landwehrmännern, die sich
im ernsten Dankgebete nach oben wenden; der eine hält die wallende,
durchlöcherte Fahne, welche die Spitze der Gesammtcomposition bildet;
zwei umarmen sich in freudiger Begeisterung; andre Verwundete, Betende,
Rastende zu ihren Seiten. Zur Linken, an dem Saume der versammelten
Schaaren entlang, ein Blick über die Ebene des Schlachtfeldes, wo man
mannigfach mit Verwundeten beschäftigt ist. Die Abendsonne wirft ein
helles Streitlicht über das Bild. Die Composition ist von einer Tiefe des
Gefühles, einer grossartigen Würde in der Gesammtanordnung, einer so
edlen Durchbildung des Gedankens in Inhalt und Form, dass sie wirklich
den höchsten Bedingnissen historischer Kunst entspricht und nur in gewis-
sen Einzelheiten, z. B. den Figuren des Vorgrundes, einige wenige Abän-
derungen wünschen lässt. Wir entsinnen uns kaum, unter den Darstellun-