Volltext: Kleine Schriften über neuere Kunst und deren Angelegenheiten (Bd. 3)

Compositionen. 
Ueber geschichtliche 
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entgegen; die Charaktere der Gestalten sind im Wesentlichen trefflich den 
verschiedenen dargestellten Bildungsepochen gemäss aufgefasst, das ganze 
Element des Kostüms ist mit der grössten Treue behandelt und auch da, 
wo es an genaueren Vorbildern fehlte, in den frühsten Epochen, mit 
glücklichem Sinne geistreich erfunden: so dass aus allen diesen Umständen 
die in Rede stehenden Blätter in den Geist der verschiedenen Epochen 
und Verhältnisse, welche sie darstellen, einzuführen wohl geeignet sind. 
Aber wir haben im Vorigen von einer höheren, wahrhaft künstleri- 
schen Behandlung geschichtlicher Aufgaben, sofern sie die Geschichte in 
ihrer tiefern Bedeutung auffassen und dem Sinne anschaulich darstellen 
sollen, gesprochen; es frägt sich, wie dieser Behandlung in den vorliegen- 
den Lithographieen genügt ist. Gewiss fehlt es dem Künstler nicht an 
jenem stylistischen Elemente, welches den Gegenstand in einer würdigen 
Weise zu erfassen fähig ist. Einzelne Gestalten erscheinen in einer schö- 
nen, grossartigen Bildung der Formen, in einer lauteren, gesetzmässig 
geordneten Gewandung, einzelne Compositionen in so treftlicher Weise 
gruppirt, in ihren Haupttheilen dem inneren Gedanken der Darstellung und 
seiner Entwickelung so gemäss angeordnet, dass sie an sich schon dem 
Sinne des Beschauers eine wohlthuende Befriedigung gewähren. Aber 
noch wird die Nothwendigkeit dieser höheren Auffassung nicht überall 
ersichtlich, wenn schon in der Folge der Blätter selbst ein Fortschritt zur 
grossartigeren Anordnung hervorleuchtet; noch erscheint dieselbe als ein 
fast zufälliges Ergebniss und im Gegentheil (wie insgemein bei jungen 
Künstlern von bedeutendem Talent) das Element der Charakteristik über- 
wiegend, so dass durch den Einfluss des letzteren die höhere Ruhe des 
Ganzen häufig gebrochen wird; ebenso ist noch zu viel Sorge auf die 
historische Genauigkeit des Kostüme, d. h. auch auf alle äusserlichen 
Zufälligkeiten desselben gewandt, im Einzelnen jene höhere Würde der 
historischen Darstellung beeinträchtigend. Endlich auch ist die Auswahl 
eines Theiles dieser Darstellungen nicht diejenige, welche in die 'l'iefen 
der Geschichte hinabsteigt und die Elemente ihres geistigen Lebens zur 
Gestaltung bringt; vielmehr sind es zum Theil wiederum nur jene 
mehr äusseren repräsentativen Akte, die der Künstler uns verführt. Doch 
sind einzelne Darstellungen vorhanden, welche den Geist der Geschichte 
anschaulich entwickeln, und gerade sie haben zur treffllichsten künstleri- 
schen Behandlung Gelegenheit geboten.  Eine flüchtige Uebersicht der 
Blätter möge zur näheren Motivirung dieses Urtheils dienen. 
Titelblatt (Federzeichnung). Arabeskenartig in einer gothischen 
Architektur angeordnet, die aus knorrigen Baumstäben und Aesten gebil- 
det wird. Einzelne darein vertlochtene Figuren bezeichnen die Haupt- 
momente der brandenburgisch-preussischen Geschichte und vereinigen sich 
zu einem ruhigen und gleichmässigen Ganzen. Vorzüglich schön ist die weib- 
liche Gestalt imGiebelraume, welche die Geschichte personificirt; sie ist in 
1101181121 Alter dargestellt, sitzend und in ein grosses Buch schreibend, in 
weite Gewande gehüllt, deren Faltenwurf in rneisterhafter Gemessenheit 
durchgeführt ist; die ganze Figur ebenso würdig wie voll höchst energi- 
scheu Lebens. Nicht minder trefflich die allegorische weibliche Figur zur 
rechten Seite des Blattes, deren Bedeutung die untergeschriebene Jahrzahl 
1815 angiebt: im Lederharnisch, mit aufgeschürztem Unterkleide, ein 
Bärenfell als Mantel, in der Rechten eine Keule, in der Linken einen 
Kreuzstab mit einem Eichenkranze haltend; eine ebenso kräftige wie an-
	        
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