Compositionen.
geschichtliche
Ueber
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seine Schwierigkeiten, und hierin scheint zunächst ein Hauptgrund zu
liegen, dass man sich bisher vornehmlich an jene äusserlich repräsentiren-
den Akte der Geschichte gehalten hat.
Eine zweite, nicht minder bedeutende Schwierigkeit ist die: bei ge-
schichtlichen Darstellungen die höhere Würde der Kunst festzuhalten, sie
nicht ins Genremässige herabsinken zu lassen, in ihr vielmehr stets, im
Ganzen wie im Einzelnen des Bildes, diejenige Gemessenheit und inner-
liche Gesetzmässigkeit zu bewahren, welche man insgemein mit dem Worte
"Styl" zu bezeichnen pflegt, mit einer würdigen stylistischen Behand-
lung zugleich die geschichtliche Wahrheit und Treue, vornehmlich in
Rücksicht auf das Kostüm und Alles, was hiezu gehört, genügend zu
verbinden. Das Kostüm des klassischen Alterthums ist fast durchweg so
künstlerisch gestaltet, dass hier nichts weiter zu erinnern bleibt. Auch
das Kostüm des Mittelalters ist zumeist mehr oder minder der künstleri-
schen Behandlung günstig, fast überall wenigstens für malerische Effekte
brauchbar; aber schon hier tritt manches Störende hervor. Sehen wir von
vorübergehenden Moden des Mittelalters, welche die Formen des Körpers
unschön veranstalteten, ab, so sind doch einzelne durchgehend vorkom-
mende Umstände in Erwägung zu ziehen, z. B. bei Schlachten die Ver-
hüllung des Gesichtes durch die Helmvisiere; ein figurenreiches Gemälde,
in welchem kein einziges Gesicht zu sehen wäre, dürfte einen leidlich
komischen Eindruck hervorbringen. Noch schlimmer wird es bei den
Kostümen der neueren Zeit, des achtzehnten und neunzehnten Jahrhunderts,
welche jeder grossartig künstlerischen Behandlung geradezu im Wege zu
stehen scheinen. In Fällen der Art dürfte sich, wenn statt Würde und
Schönheit nicht das Element des Genre oder gar des Ungeschmacks die
Überhand behalten soll, die Noth wendigkeit ergeben: die historische Treue,
so wichtig für den Künstler auch in diesem Betracht die strengsten
Vorstudien sind, nur bis auf einen gewissen Grad festzuhalten, gewisse
Modiiicationen eintreten zu lassen, welche zum Theil nur andeutungsweise
den Charakter der Zeit wiedergeben. So ist man in den früheren grossen
Epochen der Kunst, wo es sich um die Darstellung grosser Ereignisse des
Lebens handelte, verfahren; so war es vornehmlich zu den Zeiten der
griechischen Kunst. Die bekannten Statuen der äginetischen Helden, wel-
che noch einer minder vollendeten Periode der Kunst angehören, tragen
noch, obschon eine ideale Behandlung überwiegend hervortritt, einige An-
deutungen seltsamen Mode-Kostüms, wohin z. B. jene Schiene gehört, die
vom Helme, statt eines Visiers, über die Nase herabläuft; dagegen in der
perikleischen Zeit nichts mehr der Art gefunden wird. Der panathenai-
sche Festzug (der innere Fries am Parthenon), welcher fast ganz dem un-
mittelbaren Leben angehört, verbannt Alles, was irgend den Eindruck der
Formen beeinträchtigen könnte, während wir doch mit Zuversicht anneh-
men dürfen, dass das Leben jener Zeit sich, zumal bei festlichem Pomp,
nicht mit so gänzlicher Einfalt des Kostüms begnügt, sich nicht geradezu
in dieser idßalßll Weise bewegt haben werde. Hieraus soll freilich nicht
gefolgert werden, dass auch das Mittelalter und die neuere Zeit sich etwa
in griechischer Nacktheit darzustellen haben, wohl aber, dass auch bei
ihnen Moditicationen, ohne den historischen Charakter zu beeinträchtigen,
zulässig sein werden. Auch haben unsre Maler sich nicht gescheut, der-
gleichen für das Mittelalter in Anwendung zu bringen. Keiner (oder höch-
stens der Franzose Debon auf seinem Schlachtbilde ergötzlichen Ange-