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Uebur
dlo gegenwärtigen
Verhältnisse
Leben.
Kunst zum
der
nehmungen zu München haben durchweg und ausschliesslich ihren Mittel-
punkt in der Person des Königs; was in ähnlicher Weise bis jetzt in
Bayern hervor-getreten ist, dürfen wir noch nicht wagen, einem andern, als
dem unmittelbaren Eintlusse desselben zuzuschreiben. Zwar knüpfen sich
überall die grossen Erscheinungen der Geschichte an einzelne hervor-
stechende Persönlichkeiten an, aber dauerhaften Einfluss und Fortschritt
haben sie stets nur dann gewonnen, wenn ihnen in der Menge ein em-
piiinglicher Sinn entgegen trat. Nur wenn wir die Spuren eines solchen
aufzufinden vermögend sind, dürfen wir von jenen Unternehmungen und
von den durch sie hervorgerufenen Mitteln die weiteren günstigen Erfolge
erwarten.
Die Kunstvereine, von denen im Vorigen gesprochen wurde, gehören
vornehmlich, sofern man die Gegenden ihrer ausgebreitetsten Thätigkeit
in's Auge fasst, Norddeutschland an; wir dürfen sie gewissermaassen als
den Gegenpol jener, durch König Ludwig hervorgerufenen Bestrebungen
betrachten. Diese zwiefache, einander entgegengesetzte Gestaltung der
Kunst-Interessen, die zugleich den beiden hervorstechendsten Richtun-
gen der gegenwärtigen deutschen Kunst (der Düsseldorfer und der Münch-
ner Schule) vornehmlich Nahrung und Pflege geben, dürfte jedoch von
vornherein, bei grösserem Ueberblick, nicht eben als ungünstig zu betrach-
ten sein; wenigstens lehrt die Geschichte, dass insgemein in Folge von
ähnlich auseinandertretenden Richtungen, durch das somit erlangte Bewusst-
sein der Gegensätze, eine höhere, vollkommnere Einigung erfolgt ist.
Doch dürfte die Hoffnung für die Zukunft. die hierin zu suchen wäre,
Vielen allzu trügerisch und unsicher erscheinen. Suchen wir also nach
bestimmten Zeugnissen, inwiefern etwa an andern Orten das Begehren nach
monumentaler Kunst hervorgetreten ist.
Von Seiten der übrigen Fürstenhöfe und Regierungen ist nicht Vieles
geschehen, was die Kunst in ähnlicher Bedeutsamkeit, wie es in München
der Fall ist, hervortreten liesse. Aber auch das Einzelne ist zu berück-
sichtigen. Die Architektur erfreut sich in dieser Beziehung, wie es in der
Regel der Fall zu sein pflegt, der vorzüglichsten Begünstigung; die Pracht-
gebäude Berlins, welche in den letzten Decennien entstanden sind, müssen
hier vornehmlich als das Schönste, was die Gegenwart in dieser Kunst
hervorgebracht hat, angeführt werden. Die Sculptur hat in Berlin eben-
falls einen grossartig monumentalen Charakter gewonnen und die Ehren-
denkmale, welche Rauch's und Andrer Künstlerhand für Berlin, sowie für
andre Orte geschaffen hat, zeugen von dem gehaltvollen Aufschwunge
auch dieser Kunst. Die Malerei hingegen wird nur wenig zu höheren
Zwecken benutzt. Das Museum von Berlin zeigt hinter der Prachtreihe
seiner ionischen Säulen noch die öden Wände, welche zur Aufnahme jener
ebenso tiefsinnigen wie anmuthreichen Compositionen Schinkefs bestimmt
waren. Die Wandgemälde in der Aula der Universität von Bonn (die vier
Fakultäten darstellend), jene Malereien, die gegenwärtig im grossherzog-
lichen Schlosse von Weimar nach den Dichtungen von Goethe und Schiller
begonnen werden, stehen neben einigen andern Unternehmungen nur als
sehr vereinzelte Anfänge da.
Doch ist auch diesen Anfangen immerhin wenigstens die Anerkennung
nicht zu versagen. Wichtiger für die Belebung des Sinnes für monu-
mentale Kunst ist eine Reihe andrer Erscheinungen, die in der jüngsten
Vergangenheit in's Leben getreten sind und denen sich von Jahr zu Jahr