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der Kunst zum Loben.
Verhältnisse
Ueber die gegenwärtigen
jenes, an sich so edle und ruhmwürdige Streben geradezu in eine verwerf-
liche Neuerungssucht umartete, die, indem sie aufs Neue die geschichtliche
Bedeutung der Monumente verkannte, neue Werke aus den alten herzu-
stellen bemüht war, die von dem Princip eines eingebildeten Schönheits-
gefühles ausgehend, umzugestalten begann, wo noch Werthvolles vorhan-
den war, Ordnung und Symmetrie nach nüchternen Schulregeln ein-
führte, wo dieselben in höherem Sinne nur Missordnung zu nennen sind,
abglättete und ausputzte, wo die Farbe der Geschichte (die natürlich etwas
Andres ist als Schmutz und Verderbniss) gerade den mächtigsten Eindruck
auf das Gemüth des Beschauers hervorbrachte.
Es ist, ich wiederhole es, schön und würdig, dass die Knnstvereine,
als die Organe des Volkes, für die Erhaltung vorhandener Monumente zu
sorgen begonnen haben; aber die angedeuteten Gefahren sowohl, als auch
der Umstand, dass dies Geschäft, sollte es mit einiger Genüge durchge-
führt werden, der anderweitigen möglicher Weise auch noch höheren
Thätigkeit der Vereine bedeutenden Abbruch thun würde, lassen es wün-
schen, dass die Regierungen selbst diesen Punkt einer näheren Aufmerk-
samkeit würdigen möchten. Im Einzelnen ist für denselben zwar von den
Regierungen ebenfalls schon Bedeutendes und geradezu Grossartigstes (die
Restauration ganzer Dome) angeordnet worden; doch, meine ich, dürfte
es für die Sache noch ungleich erspriesslicher sein, wenn man dabei mehr
systematisch und nach einem geordneten Plane zu Werke ginge. Wollte
man z. B. eine Commission befahigter Männer ernennen, welche die oberste
Leitung dieser Angelegenheiten in Händen hätte , welche damit aniinge,
das gestimmte Land, Kreis für Kreis. zu durchforschen und sich somit
zuerst über die Menge, den Werth und Zustand des Vorhandenen zu ver-
gewissern, welche sodann, in der Ausführung des Restanrations-
Geschäftes, Schritt vor Schritt von dem dringendsten Bedürfniss zu dem
bloss Wünschenswerthen überginge, welche dasjenige, was im Laufe der
Zeit seine Bestimmung verloren hat und gänzlicher Vernichtung anheim-
gegeben ist, nach Möglichkeit sammelte oder sonst dessen Erinnerung den
späteren Geschlechtern sicherte, welche endlich eine fortwährende In-
spection über diese Gegenstände ausübte; so dürfte man gewiss auf die
allererfreulichsten Erfolge rechnen können. Auch dürfte in der That den
Regierungen aus einem solchen Institute ein kräftiger Wall gegen die be-
fangene Umwälzungslust unsrer Tage erwachsen; den Beweis des Gegen-
theiles wenigstens hat die Geschichte geführt. Die französische Revolu-
tion, die einen ganz neuen Zustand der Dinge hervorrufen wollte und es
wohl erkannte, wo Treue, Anhänglichkeit und Vaterlandsliebe ihren Sitz
haben, begann folgerecht damit, dass sie die theuersten Gedächtnissstätten
und Heiligthümer des Volkes in frechem Muthe zernichtete und schändete.
Doch kehren wir noch einmal zu der Wirksamkeit der Kunstvereine
zurück. Ich deutete eben auf ein noch höheres Ziel derselben, als es die
Sorge für Erhaltung vorhandener Monumente ist, hin: ich meine die Er-
richtung neuer Monumente für die Gegenwart. Denn die Gegenwart
hat doch das höchste Recht, sie verlangt doch die höchsten Aeusserungen
des Lebens. Was nützt eine Reihe grosser Ahnen, wenn der Enkel sich
ihnen nicht würdig anreiht? was die ererbte Scholle, wenn wir sie nicht
aufs Neue bestellen? Ja, und wo ein Volk ohne Heimat ist, da kann es
sich dieselbe erwerben, und seine Heimat wird da sein, wo es dem Boden
das eigenthümliche Gepräge seines Geistes aufgedrückt hält- ln der Grün-