Volltext: Kleine Schriften über neuere Kunst und deren Angelegenheiten (Bd. 3)

Randzeichnungen 
zu den 
Dichtungen 
der 
deutschen 
Classiker. 
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worden; es dürfte anmaassend erscheinen. nach der Empfehlung, die diesen 
von dem alten Dichterkönige. ehe er scheiden ging, an sein Volk mitgege- 
ben wurde, noch etwas Besondres hinzufügen zu wollen. 
Ein neustes Werk von Neureuther ist das in der Ueberschrift genannte. 
Auch hier finden wir dieselbe Gabe phantastischer Nachertindung, dieselbe 
arabeskenartige Verschlingung der handelnden Figuren, dieselbe unerschöpf- 
liche humoristische Laune, welche seinen früheren Werken eigen war. 
Schon der Umschlag dieser Hefte enthält in dem Rahmen von zierlich ge- 
wundenem Ranken- und Blätterornament, belebt von Vögelehen, Eichkätz- 
chen, Schnecken und Schmetterlingen, zu oberst mit ein Paar Sternblumen 
geschmückt, unten durchkrochen von seltsamen Molchen, ein kleines Mei- 
sterwerk. Der Inhalt des ersten Theiles besteht aus Gedichten vom König 
Ludwig, von Göthe, Schiller, Wieland, Bürger, Hebel. Platen, Uhland, 
Körner, Tieck, Klopstock; das Titelblatt enthält Göthes Apotheose. Das 
vierte Heft giebt Gedichte von Langbein und Göthe. 
Wir wollen hier nur auf einige der vorzüglichsten Blätter aufmerksam 
machen. Vor Allem dünkt uns das erste Blatt zu Göthe's Zauberlehrling 
wohlgelungen, dessen reiche Ausstattung nur Einer Strophe des Gedichtes 
Raum gegönnt hat. Da sehen wir in der Mitte den unglücklichen Jünger. 
der das mystische Band umgehängt hat, wie er sich verzweifilind gegen 
das von allen Seiten auf ihn einströmende Wasser zu vertheidigen sucht; 
allerlei fabelhaftes Gethier, Vögel, Frösche, Fische und dergL, das auf den 
Ranken umhersitzt und daraus hervorwächst, speit das Wasser in dicken 
Strahlen, und selbst aus den Kelchen der Blumen ergiesst es sich, wie aus 
Giesskannen, auf sein Haupt. Unten ist es wie ein See, und ein Krebs 
langt eben mit einer grossen polypenartigen Blume, statt der SChBCPE, nach 
demVerzweifelnden. Seitwärts sitzt ein Aeffchen gravitätisch mit Zauber- 
mütze und Besen auf einem grossen Akanthusblatt, und wieder sehen wir 
den verhängnissvollen Besen in der Mitte aufgerichtet. ausgehend in ein 
seltsames Eulengesicht, das mit seinen Krallen die Blumenkelche auf den 
armen Jungen richtet. Neben dem Besen aber, auf hohem Blumenthrone, 
sitzt der alte Meister, der eben im Begriff ist, den tollen Spuk durch sein 
mächtiges Wort zu bannen.  Nicht minder gefiel uns das erste Blatt zu 
läörnerls "Männer und Buben." Oben auf einem breiten Blumenbeete der 
rüstige, deutsche Kämpfer mit Glas und Flamberg, und hinter ihm, in der 
Ferne, die Schaar der Seinen. An den Seiten ziehen sich Blumenranken 
nieder, und hier wächst. in ergötzlichem Contrast gegen den oberen Raum. 
all das jämmerliche Philistergesindel, davon die einzelnen Strophen des 
Liedes sprechen, aus kleineren Kelchen hervor; meisterhafte Karikaturen, 
besonders der Sterbende, der vor dem Tode über ihm sich entsetzcnd, sich 
tief in den geöffneten Kelch zu verkriechen strebt. Mit vieler Laune ist 
das erste Blatt zu Langbeims goldnem llut gezeichnet, mit eigenthümlicher 
Phantasie und einer an's Schauerliche streifenden Grazie die fünf Blätter 
zu Göthes Braut von Korinth. 
Mehrfach hat Neureuther auch, statt araheskenartig das Lied zu um- 
schliessen, nur eben Bilder beigefügt, welche die etwa erzählte Geschichte 
selbst darstellen sollen. Doch möchten wir ihm hierin Vorsicht rathen, da 
ihm die historische Composition nicht immer glückt. So ist das Bild über 
Bürgers Lenere wenig gelungen (andre Randbilder dieses auf 5 Blätter 
geschriebenen Gedichtes sind dagegen vortrefflich), ebenso erscheint das 
Bild über dem Liede aus Tiecks Genovefa: "Dicht von Felsen eingeschlos-
	        
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