Ueber die gegenwärtigen
Verhältnisse
Kunst zum
der
Leben.
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Arbeiten zu Stande bringen kann, welche in einer gewissen Verwandtschaft
zu den Werken des Genies stehen und deren anziehende Eigenthümlich-
keiten, wenn gleich mehr oder minder ohne die eigentliche innere Tiefe,
wiederholen, ja, dass das Talent, unter solchen Umständen, auch wohl zu
einer einzelnen wirklich genialen Aeusserung befähigt wird. Dies ist ins-
gemein da der-Fall, wo sich sogenannte Schulen bilden, wie z.B. heutiges
Tages in der Düsseldorfer Schule. Das Publikum, unbekümmert über die
Entstehungs-Geschichte der Kunstwerke, die sein Wohlgefallen erregen,
erfreut sich an deren Erscheinung, und wem Mittel und Gelegenheit fehlen,
ein Bild ersten Ranges zu erwerben, der ist nicht minder glücklich, wenn
er eins vom zweiten Bange besitzt. Dies war, wie es gegenwärtig in nicht
unbedeutendem Maasse der Fall ist, gewiss auch in früheren Zeiten eben-
so und wird es ohne Zweifel auch in der Zukunft sein; aber die Vor-
theile, welche der Kunst, den Künstlern und dem Sinn für die Kunst hier-
aus erwachsen, sind, wie es scheint, vorübergehend oder doch zweifelhaft.
Diese Art künstlerischer Thätigkeit wird durch die Liebhaberei des Publi-
kums getragen, für deren Fortbestand wir, wie bemerkt, noch keine genü-
gende Garantie haben; und wenn das Talent, durch irgendwie veränderte
Umstände, aus dem schützenden Bereiche des Genies verwiesen ist, so
muss nothwendig der Mangel an eigner Schöpfungskraft empfindlich her-
vortreten: die Geschichte und die Gegenwart weisen für letzteres nur zu
genügende Beispiele auf.
Der Vorwurf, dass das blosse Talent zu häufig die Region des Genies
zu betreten unternehme, betrifft vornehmlich die Kunst der Malerei; in
der Architektur und Sculptur muss sich das Verhältniss durch die Natur
der Sache anders stellen. Die Architektur ist von Hause aus durchweg
auf das gewöhnliche Bedürfniss angewiesen, und nur im seltensten Falle
ist es dem Architekten verstattet, seine Kunst mit vollkommner Freiheit
zu üben; er steht also fast überall zur Seite des Handwerkes. Bedeutende
Werke der Sculptur werden ebenfalls nur auf seltnen Anlass ausgeführt,
und um es zu wagen, freie Productionen der Phantasie mit den grossen
Kosten, welche diese Kunst erfordert, zu unternehmen, muss der Bildhauer
sich eines allgemein anerkannten Rufes erfreuen; er wird also durch die
Nothwendigkeit gezwungen, sich häufig dem Architekten, ebenfalls in
einer mehr handwerklichen Weise, anzuschliessen. Anders ist es bei dem
Maler; Leinwand und Farbe sind wohlfeil, so dass er, wenn er eine Com-
position aus eignet Anregung unternimmt. wenig mehr als nur seine Zeit
dabei aufs Spiel setzt, und er darf aus diesem Grunde sowohl, als weil
überhaupt das leicht Ansprechende seiner Gemälde ein grösseres Publikum
Üßdßi, auf einen leichteren Absatz rechnen. Aber dies rechtfertigt es
immer 1110m. wenn das blosse Talent einen solchen, selbst in äusserlicher
Beziehung so unsicheren Weg zu verfolgen bestrebt ist. Dem malerischen
Talente dürfte vielmehr eine andre Sphäre angemessen sein, die zwar
Vielleicht nicht jenen schnell vorübergehenden Ruhm gewährte, die aber in
sich einen reicheren Lohn tragen dürfte: ich meine die einer mehr deko-
rativen Malerei. Am bestcn glaube ich hier verstanden zu werden,
wenn ich an die pompejanischen Wandgemälde erinnere. Nicht als ob
ich zu deren direkter Nachahmung auffordern wollte, als ob ich nicht die
eigenthümlichc Hanseinrichtung, die gesammte Lebens- und Sinnesweise
der Alten, damit jene Malereien in engster Verbindung stehen, berücksich-
tigte; ich meine eben nur das Allgemeine, wie die Künstler hier in äus-