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Tieclds
Geuovefa.
Dicht von Felsen eingeschlossen,
Wo die stillen Bächlein gehn,
Wo die dunklen Weiden Sprossen,
Wünself ich bald mein Grab zu sehu.
Dort im kühlen, abgelognen Thal
Such" ich Ruh' für meines Herzens Qual.
Und vorn liegt Golo, auf den Boden hingestreckt, die Hände über der
Brust zusammengebunden. Die männlich-kräftige Gestalt, deren volle
Schönheit sich in dieser Lage entwickelt, möchte den Tod, welchen das
gebrochene Auge und der leise, krampfhafte Zug am Munde kund gicbt,
gern Lügen strafen; aber der aus der Brust emporragende Lanzenschaft
spricht allzu verständlich. Die Schergen, welche ihm ein Grab versagt,
schleichen hinten so eben um eine Felsecke davon. Aber neben dem
G .10 steht der Schäfer Heinrich, der ihm einst das Lied gesungen; er be-
meint, der einzige, seinen Wohlthäter, und wir wissen es, dass er ihm
1-4" Grab „im einsam grünen Thal" bereiten wird. Vorn steht eine Distel,
deren Kopf niedergeschlagen ist.
15. Genovefas Tod. Genovefa liegt auf dem Sterbelager, die Hände,
in denen sie ein kleines Crucifix hält, über der Brust zusammengelegt, die
Augen geschlossen. Sie ist aber noch nicht gestorben; sie träumt, und
zwar von den nahen seligen Freuden, deren Bild sie hernach scheidend
den Ihrigen zurücklässt. Hinter dem Lager steht der Bischof Hidulfus, der
ihr das Sakrament gereicht hat; er taucht den YVedel in das geweihte
Wasser, um sie damit zu besprengen. Neben ihm noch zwei Geistliche.
Vor dem Lager kniet Siegfried und stützt die Stirn bckümmert mit der
rechten Hand, indem er seine linke auf die rechte der Sterbenden legt.
Neben dem Siegfried sitzt Schmerzenreich auf einem Fussbänkchen, eine
Gestalt, vielleicht die bedeutendste des ganzen Heftes. Führich hat in ihr
auf wunderbare Weise alle zarte, liebenswürdige Kindlichkeit mit dem
tiefen Ernst, der so früh schon im Begriff ist, den irdischen Freuden zu
entsagen er theilt nach dem Tode der Mutter die Einsiedlerschaft des
Vaters zu vereinigen gewusst. Nachlässig sitzt er da, das Kinn in die
linke Hand stützend, und blickt über das Antlitz der Mutter weit hinaus,
mit einem Blick, dem wir es glauben, dass er den Vater zu trösten in
die Worte auszubrechen vermag:
0 lass sie ziebu, denn das ist ihr Verlangen,
Nach Himmelslichte steht ihr frommer Sinn,
Die Erde nährte sie mit Pein und Bangen,
Nun geht sie in die ew'ge Freiheit hin.
Sie ist die Müdeste, sia geht voraus,
Wir kommen nach in unsres Vaters Haus.
Die Stßrbescene wird durch eine offne Thür gesehen, auf deren beiden
Seiten Trauernde knieen, nicht sowohl Diener des Schlosses, als vielmehr
Repräsentanten des gesammten Publikums, das an der frommen Legende
sich erbaut hat. Das weinende Mädchen zur Rechten hat, ich weiss nicht
0b in ihren Formen oder in ihrer Stellung, etwas Griechisches, was aber
gerade der WVeltlichkeit des Beschauers, im Gegensatz zu jener Heiligen,
Kugler, Kleine-Schriflen. lll. 2