Sculptur.
Berlin.
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Gross und ernst steht der alte Meister der deutschen Malerkunst dem
Beschauer gegenüber. Er trägt ein weites Pelzgeivand, dessen lange ge-
schlitzte Aermel frei und in vollen Massen niederhängen. In der rechten
Hand hält er Pinsel, Stift und einen Lorbeerzweig, mit der andern fasst
er vorn in die Falten des Gewandes. Das Haupt schaut schlicht und ruhig,
in frischer, kräftiger Männlichkeit hervor, das lange gelockte Haar fliesst
frei auf beide Seiten herab. Der Eindruck des Ganzen ist, wie wir ihn
bei einer vollkommenen, alle Bedingungen erfüllenden Darstellung Dürer's
erwarten dürfenl ernst, machtvoll, imposant, und doch durchaus mit der-
jenigen Innerlißhkeit, welche nicht sowohl äusseres Handeln und Eingrei-
fen in das Leben, als vielmehr den geistig schaffenden, im Gebiete der
Phantasie thätigen Mann bezeichnet, und zugleich mit all derjenigen Milde
und Gernüthlichkeit, die den persönlichen Charakter dieses grossen Meisters
so unendlich liebenswürdig macht.
Das Vorbild, welchem Rauch bei dieser Arbeit zumeist gefolgt, ist
jenes kleine eigenhändige Bildniss Dürer's, das sich auf seinem berühmten
Gemälde der heil. Dreifaltigkeit vom Jahre 1511 (im Belvedere zu Wien)
befindet. Hier sieht man den Künstler in einer Ecke des Bildes stehen,
eine Schrifttafel mit Namen und Jahrzahl in seiner Hand und mit dem-
selben Pelzgewande angethan. Es ist das vierzigste Lebensjahr des Künst-
lers, die Zeit seiner vollendeten Meisterschaft, diejenige, welcher eine so
grosse Fülle der vorzüglichsten Gemälde, Kupferstichc und Holzschnitte.
die aus seiner Hand hervorgegangen. angehört. Mit bester Berechtigung
also ist gerade dieses Jahr für die statuarische Darstellung gewählt. Ebenso
auch das prachtvolle Kostüm; denn in dem genannten, wie in allen übri-
gen Bildnissen, die wir aus Dürer's früherer Zeit besitzen, hat er sich in
ähnlicher Weise dargestellt, und manche schriftlich aufbehaltene Scherze
sprechen es aus, wie ihm der Adel der äusseren Erscheinung keineswegs
gleichgültig war; auch stimmt dies sehr wohl zu dem eigenthümlichen, an
das Phantastische sich annähernden Charakter, welchen die Mehrzahl sei-
ner Werke trägt. Erst spät, als die Wirrnisse der Zeit und die Sorge des
Alters die Stimmung seines Gemüthes getrübt hatten, erscheint sein Bild-
niss einfacher und ohne den lockigen Haarschmuck, dessen sorgliche Pflege
früher überall ersichtlich wird.
Dies reichere Kostüm hat dem Bildhauer Gelegenheit zur Entwickelung
besondrer Schönheiten gegeben. Wir sehen dasselbe mit einer Meisterhaf-
tigkeit behandelt. die in der That und vornehmlich in Rücksicht auf die
kolossalen Dimensionen, in Erstaunen setzt. Das Weiche, Wollige des
Pelzwcrkes, die leichte, freie Biegsamkeit des 'l'uches, die feine Sprödig-
keit der Seide, Alles tritt uns in seiner besondern Eigeuthümlichkeit ent-
flßgen- Dabei ist, trotz der grossartigen Ruhe und der feierlichen Haupt-
linie" des Ganzen, Zugleich das Momentane der Bewegung aufs Glücklichßle
festgehfflten und Alles leicht, ungezwungen und frei geordnet. Und wic-
dcrum ist das Nebenwerk den IIaupt-Intentionen des Standbildes in angc"
mesSenSter Weise untergeordnet, und das Auge des Beschauers haftet zu-
letzt immer auf den männlichen, heiter sinnenden, durchaus lebenvollen
Zügen des edlen Antlitzes. Wir dürfen mit voller Ueberzeugung vor-
aussagen, dass das Werk, in Bronze gegossen und an dem Orte seiner
Bestimmung aufgestellt, eine beneidenswerthe Zierde des an Kunstschätzen
schon so reichen Nürnbergs sein wird. Das edelmüthige Unternehmen, dem
großen Bürger dieser Stadt, dem lautesten Verkündcr ihres allen Ruhmes,