Volltext: Kleine Schriften über neuere Kunst und deren Angelegenheiten (Bd. 3)

Sculptur. 
Berlin. 
199 
Gross und ernst steht der alte Meister der deutschen Malerkunst dem 
Beschauer gegenüber. Er trägt ein weites Pelzgeivand, dessen lange ge- 
schlitzte Aermel frei und in vollen Massen niederhängen. In der rechten 
Hand hält er Pinsel, Stift und einen Lorbeerzweig, mit der andern fasst 
er vorn in die Falten des Gewandes. Das Haupt schaut schlicht und ruhig, 
in frischer, kräftiger Männlichkeit hervor, das lange gelockte Haar fliesst 
frei auf beide Seiten herab. Der Eindruck des Ganzen ist, wie wir ihn 
bei einer vollkommenen, alle Bedingungen erfüllenden Darstellung Dürer's 
erwarten dürfenl ernst, machtvoll, imposant, und doch durchaus mit der- 
jenigen Innerlißhkeit, welche nicht sowohl äusseres Handeln und Eingrei- 
fen in das Leben, als vielmehr den geistig schaffenden, im Gebiete der 
Phantasie thätigen Mann bezeichnet, und zugleich mit all derjenigen Milde 
und Gernüthlichkeit, die den persönlichen Charakter dieses grossen Meisters 
so unendlich liebenswürdig macht. 
Das Vorbild, welchem Rauch bei dieser Arbeit zumeist gefolgt, ist 
jenes kleine eigenhändige Bildniss Dürer's, das sich auf seinem berühmten 
Gemälde der heil. Dreifaltigkeit vom Jahre 1511 (im Belvedere zu Wien) 
befindet. Hier sieht man den Künstler in einer Ecke des Bildes stehen, 
eine Schrifttafel mit Namen und Jahrzahl in seiner Hand und mit dem- 
selben Pelzgewande angethan. Es ist das vierzigste Lebensjahr des Künst- 
lers, die Zeit seiner vollendeten Meisterschaft, diejenige, welcher eine so 
grosse Fülle der vorzüglichsten Gemälde, Kupferstichc und Holzschnitte. 
die aus seiner Hand hervorgegangen. angehört. Mit bester Berechtigung 
also ist gerade dieses Jahr für die statuarische Darstellung gewählt. Ebenso 
auch das prachtvolle Kostüm; denn in dem genannten, wie in allen übri- 
gen Bildnissen, die wir aus Dürer's früherer Zeit besitzen, hat er sich in 
ähnlicher Weise dargestellt, und manche schriftlich aufbehaltene Scherze 
sprechen es aus, wie ihm der Adel der äusseren Erscheinung keineswegs 
gleichgültig war; auch stimmt dies sehr wohl zu dem eigenthümlichen, an 
das Phantastische sich annähernden Charakter, welchen die Mehrzahl sei- 
ner Werke trägt. Erst spät, als die Wirrnisse der Zeit und die Sorge des 
Alters die Stimmung seines Gemüthes getrübt hatten, erscheint sein Bild- 
niss einfacher und ohne den lockigen Haarschmuck, dessen sorgliche Pflege 
früher überall ersichtlich wird. 
Dies reichere Kostüm hat dem Bildhauer Gelegenheit zur Entwickelung 
besondrer Schönheiten gegeben. Wir sehen dasselbe mit einer Meisterhaf- 
tigkeit behandelt. die in der That und vornehmlich in Rücksicht auf die 
kolossalen Dimensionen, in Erstaunen setzt. Das Weiche, Wollige des 
Pelzwcrkes, die leichte, freie Biegsamkeit des 'l'uches, die feine Sprödig- 
keit der Seide, Alles tritt uns in seiner besondern Eigeuthümlichkeit ent- 
flßgen- Dabei ist, trotz der grossartigen Ruhe und der feierlichen Haupt- 
linie" des Ganzen, Zugleich das Momentane der Bewegung aufs Glücklichßle 
festgehfflten und Alles leicht, ungezwungen und frei geordnet. Und wic- 
dcrum ist das Nebenwerk den IIaupt-Intentionen des Standbildes in angc" 
mesSenSter Weise untergeordnet, und das Auge des Beschauers haftet zu- 
letzt immer auf den männlichen, heiter sinnenden, durchaus lebenvollen 
Zügen des edlen Antlitzes.  Wir dürfen mit voller Ueberzeugung vor- 
aussagen, dass das Werk, in Bronze gegossen und an dem Orte seiner 
Bestimmung aufgestellt, eine beneidenswerthe Zierde des an Kunstschätzen 
schon so reichen Nürnbergs sein wird. Das edelmüthige Unternehmen, dem 
großen Bürger dieser Stadt, dem lautesten Verkündcr ihres allen Ruhmes,
	        
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