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Berichte,
Erörterungen.
Kritiken,
einige Wünsc e übrig bleiben. Aber dies sind Mängel, denen ein strenges
Studium leicht abhelfen kann: dagegen jenes Gefühl für edelste Anmuth,
jene Unmittelbarkeit in der Darstellung lebhafter und doch feierlich ge-
messener Bewegung, jener Ausdruck einer eben so zart jungfräulichen wie
grossartig prophetischen Begeisterung dem Bilde in der That Vorzüge
gewähren, die ihm nur von Wenigen streitig gemacht werden dürften, und
um so mehr, als Alles das Gepräge der freisten Ursprünglichkeit und in-
dividuellsten Auffassung trägt. Vielleicht fügt es sich später, dass das
Bild noch einmal auf längere Zeit zu uns zurückkehrt und dann diejenige
Anerkennung findet, auf die es so sehr Anspruch zu machen berechtigt ist.
Uckermärker Landleule. Gemalt von Ad.
Fischer und Texnpeltei. Berlin bei
Schrüdter, lith.
C. G. Lüderitz.
VOI]
Vorlicgendes Blatt ist die treffliche Nachbildung eines der Bilder von
Schrödter, die wir auf der letzten Berliner Kuustausstellung sahen. Zwei
Bauern, der eine sonntäglich geputzt mit Frau und Söhnlein, der andre
im Begriff mit seiner Tochter auf den Acker hinauszugehen, begegnen
einander an der Ecke des Dorfs. Sie gerathen in einen lebhaften politi-
schen Dispüt. Der erstere, kurz und stämmig, sich seiner bäuerlichen
Würde bewusst, scheint eine Art Demagog; er hält es oifenbar mit den
Christinos und sucht den andern zu überzeugen; der aber, gross und hager,
bleibt fest und sicher in seinem Glauben an die Carlisten; das Haupt
trotzig vorgereckt. sonst aber in gänzlich ruhiger Haltung, scheint er nur
mit der rechten Hand eine Bewegung zu machen, als 0b er alle Argumente
des demagogischen Freundes ausstreichen wolle. Es ist eine höchst ergötz-
liche Figur. Die Frau des ersteren blickt bewundernd auf ihren Mann,
die Kinder scheinen sich auch in feindlichen Gedanken gegenüber zu ste-
hen, die Enten im Grase lauschen emporgedrehten Hauptes dem wichtigen
Vorgange. Die lithographische Ausführung des Blattes ist vortrefflich, von
guter Haltung, und giebt die Komik des Ganzen mit feinem Sinne wieder.
Berlin
Der Professor Rauch hat kürzlich das Thon-Modell der kolossalen
Dürer-Statue, welche für die Stadt Nürnberg bestimmt ist, vollendet
und auf einige 'l'age dem Anschauen des hiesigen Publi ums ausgestellt.
Wir bedauern, dass es nicht möglich war, dies grossartige Meisterwerk
unsrer diesjährigen Kunstausstellung als eine der würdigsten Zierden bei-
gefügt zu sehen und so durch wiederholten Besuch dasselbe tiefer und
fester in uns aufzunehmen.