Fragmeutarisches
über
die
Berlin
Kunstausstellulzg
vom
1836.
197
Nachträgliches.
Als einen entschiedenen Verlust, den unsre diesjährige Kunstausste]-
lung erlitten hat, müssen wir es bezeichnen, dass das Bild von Christian
Köhler aus Düsseldorf: "Lobgesang der Prophetin Mirjam nach dem
Durchzug der Juden durch das rothe Meer" (N0. 482) erst nach dem
Schlusse derselben angelangt ist und da es alsbald Ordre zur Fort-
setzung Sßiüef Reise, zunächst nach der Dresdner Ausstellung, sodann nach
denen des östlichen Cyklus der norddeutschen Kunstvereine. erhielt
nicht der öffentlichen Beschauung von Seiten eines grösseren Publikums
freigestellt werden konnte. Nur wenigen Kunstfreunden war die erfreu-
liche Nachricht zugekommen, dass das Bild auf ein Paar 'l'age in einem
der untern Säle des Akademie-Gebäudes aufgestellt worden sei und Besuch
aunehme. Ein Verlust unsrer Ausstellung war es nicht blos desshalb,
weil das Bild ein treftliches und höchst anziehendes Werk ist, sondern
weil es zugleich eine eigenthümliche Richtung und Stimmung, die diesmal,
namentlich von Seiten der Düsseldorfer, nur in geringerem Maasse aufge-
fasst war, repräsentirt. Es ist hie und da bemerkt worden, dass die nord-
deutschen Künstler, und eben besonders die Düsseldorfer (bei den Süd-
deutschen ist dies anders), sich darin wohlgefielen, Momente einer elegischen
Stimmung, wo das Gefühl in die geheimeren Tiefen der Seele zurücktritt,
sei es in mehr grossartigen, heroischen Scenen, sei es in denen einer
zarteren Sentimentalität, mit Vorliebe darzustellen: man hätte es gern
gesehen, wenn neben einer solchen, für sich selbst zwar vollkommen be-
rechtigten Darstellungsweise, auch zugleich Aeusseruugen eines mehr
lebendigen, mehr die Oberfläche des Körpers berührenden, eine freiere
Entwickelung der Form begünstigenden Gefühles in grösserem Maasse
hervorgetreten wären. In solchem Belange ist nun das Köhlersche Bild
von besondrer Wichtigkeit. l-lell hervorbreehende, begeisterte Freude,
anmuthvolle Gestalten im lebhaftesten Affekt, ein festlicher Rhythmus in
den Bewegungen geben diesem Gemälde sehr eigenthümliche Vorzüge. Es
ist von länglich viereckigem Format, mit einer halbrunden Erhöhung des
Rahmens in der Mitte des Bildes, über der Hauptfigur. Dem Beschauer
gerade entgegen. aus der Tiefe des Meergestades empor, tritt die begeisterte
Prophetin, die Handpauke schlagend, das freudig verklärte Antlitz nach
oben gewandt, wo die Strahlen des Lichtes über sie hereinbrechen; zu
ihren Seiten zwei andre Jungfrauen, die eine Becken schlagend, die andre
die Harfe spielend, beide den Blick auf die Prophetin gewandt, als ob
sie deren Gesange mit Eifer folgten, und durch denselben ergritlerl, in
Takt und Harmonie einstimmten. Zunächst hinter diesen noch einige
andre Frauen, die nach dem Meere zurückschauen (unter ihnen, im Schat-
t.cn, eine ältere Frau von höchst grossartiger Schönheit); dann den Uferrand
hinab andre Schaaren des Volkes, und in der Tiefe Moses und Aaron, auf
deren Befehl die schäumenden Wogen über die letzten der Aegypter zu-
samrnenstürzen. Vergleichen wir das Bild mit dem früheren von Köhler,
der Findung MoSiS, welches bereits vor zwei Jahren allgemeine Freude
erweckte, so finden wir hier den jungen Künstler wesentlich vorgeschrit-
m", besonders was eine reichere und vollere Behandlung der Farbe anbe-
trifft; nur in Rücksicht auf eine vollkommen freie und gesetzmässige Ent-
wir-kvlung der Zeichnung dürften in einem oder dem anderen Punkte noch