Fragmeutarisches über
die Berliner
Kunstausstellung vom
1836.
189
men; aber es fehlt diejenige Unmittelbarkeit der Auffassung, welche das
Interesse des Beschauers in höherem Maasse fesselt. Ausserdem sind
von Stilke noch zwei Bilder kleinerer Dimensionen vorhanden, unter denen
vornehmlich das eine; „Syrische Christen verlassen, von den 'l'ürken ge-
drängt, das gelobte Land" (949). rilhmlichst zu erwähnen ist. Es ist ein
Meeresstrand, in der Ferne eine brennende Stadt, im Vordergrunde, der
rettenden Kähne harrend, welche ein Jüngling herbeiwinkt, eine trefflich
componirte Gruppe, unter der besonders die Hauptfigur, das schöne stolze
Weib mit dem Säugling an der Brust, sehr anziehend ist. Diese Compo-
sition dürfte, bei der Ausführung in grossen Dimensionen, ein ausgezeich-
netes Werk erwarten lassen.
Eine namhafte Anzahl von Bildern der Düsseldorfer Schule bewegt
sich, wie früher, in dem sogenannten romantischen Genre, grössercn Theils
den Stoff der Darstellung aus Gedichten entlehnend. „Frithiof und Inge-
borg" V01! W. Vülkhau (992) ist ein ansprechendes Bild; es sind zwei
edle Kinder, in freundlichem Beisammensein, und in schlichter Wahrheit
ausgeführt. Kretzschmefs "Aschenbrödel" (513) erfreut ebenfalls durch
die Tüchtigheit der Ausführung sowohl in der zierlich nachdenkenden
Hauptfigur, als in den mannigfachen Nebendingen, welche dem Küchen-
regiment der Kleinen angehören; sehr artig ist es, wie den Täubchen, welche
die Erbsen auslesen, sich durch's geöffnete Fenster herein allerhand bunt-
befiederte Gäste zugcsellen. Der "Burghof" desselben Künstlers führt uns eine
freundliche Scene vor, welche mit guter Charakteristik durchgeführt ist: ein
hübsches Mädchen, auf der Thürtreppe sitzend und mit weiblicher Arbeit
beschäftigt; ein rüstiger Edelknappe, der ihr zur Laute schöne Dinge vor-
sagt, und dabei ein alter Diener, der die Waffen des Herrn putzt und ins-
geheim seine launigen Glossen über das zärtliche Paar macht. Schade, dass
es dem kräftig gemalten Bilde an einer mehr durchgreifenden Haltung fehlt.
Die Bilder von Grashoff, eine Scene aus dem Cid (245) und eine
andre nach einem Stolberg'schen Gedichte (246) entbehren noch desjenigen
lebendigen Reizes, welcher den Beschauer verweilen macht. Die "Nonne"
von Hoyoll (386), die aus dem Kreuzgange des Klosters auf eine blühende
Landschaft hinausblickt, zeigt eine edle Gestalt, der die Phantasie des Be-
schau.ers gern eine zartbewegte Stimmung der Seele zuertheilt. Die
„Scene' aus Faust; Gretchen mit Lieschen am Brunnen" von J. J acob (414)
bekundet, in sinniger Auffassung des Gegenstandes, ein erfreuliches Talent
und scheint Tuchtiges für die Zukunft zu versprechen. Ebenso „der
Goldschmied und seine Lehrlingeu von H. Schmitz (830), halbe Figuren,
am Tisch mit kunstreicher Arbeit beschäftigt, durch lebenvolle Köpfe an-
genehm. „Des Goldschmieds Töchterlein" von L. Blanc nach
Uhla_nd's Gedicht, ganze Figur, den Ring an den Finger steckeud, ein Bild
vonnicht unbedeutender Dimension, zeigt ein ähnliches, anmuthig naives
Gesicht, wie B1anc's Kirchgängerin, die den Besuchern unsrer Ausstellun-
gen im freundlichen Angedenken ist; nur ist zu bedauern, dass sich die
Figur nicht klar aus dem Bilde loslöst.
H- Wittißhs viEdelfräulein mit einem Falken" (1023), halbe Figur,
fast LebensgröSSß, bezeichnet dagegen eine sehr bedauernswerthe Richtung-
Verschwimmende Sentimentalität, Mangel eines gesunden innerlichen Lebens,
matte Gebrechlichkeit der ganzen Erscheinung, alles dies wird nicht durch
zierliches Kostüm und glatte Ausführung gerechtfertigt. Und doch ist in
der Behandlung des Bildes Etwas, das auf das Vorhandensein eines recht