Volltext: Kleine Schriften über neuere Kunst und deren Angelegenheiten (Bd. 3)

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Berichte, 
Kritiken, 
Erörterungen. 
tige Kunst ist nur nach ihrem eignen Maasse zu messen. Suchen wir ver- 
wandte Geister, so dürfen wir ihn nur neben Männer wie etwa Lord Byron 
oder Beethoven stellen. Er schaltet frei in seinem Gebiete und frei über 
die Empfindungen des Beschauers; widerstandlos stehen wir seinen Gemäl- 
den gegenüber, er zieht uns hinein in die elegische Trauer, die seine 
Landschaften erfüllt, er reisst uns in den gährenden Strom seiner Leiden- 
schaft, er vernichtet uns in unsrer Selbständigkeit,  und wir müssen seine 
Herrschaft anerkennen- 
Ein erfreuliches Bild historischen Inhalts ist das Gemälde von H. 
Plüddemann, N0. 675: "Columbus erblickt die neue Welt." Es ist ein 
figurenreiches Gemälde von verhältnissmässig nicht bedeutenden Dimensio- 
nen. Wir sehen das Verdeck des Schiffes vor uns, in der Mitte, an den 
Hauptmast gelehnt und etwas erhöht, Columbus, um ihn her die Schiffs- 
mannschaft in mannigfach aufgcregter Bewegung. Einige der Rädelsführer, 
welche die lange Dauer der ungewissen Fahrt zur Rebellion gegen den 
grossen Mann getrieben hat, sind ihm in bittrer Selbstanklage zu Füssen 
gestürzt, Andre umarmen sich im höchsten Jubel, Andre suchen erhöhte 
Stellen undtwcisen freudig in die Ferne hinauS- Cßlllmbllß Steht Still 
unter ihnen, die endliche Erfüllung seiner Hoffnungen, seines Lebenszweckes 
regt ihn nicht leidenschaftlich auf, im stummen Dankgebete wendet er den 
Blick nach oben. Dieser schöne Gedanke des Künstlers ist um so rühren- 
der, als das Gebet aus einer strengen, scharfgezeichneten Physiognomie 
hervorbricht, welche das Gepräge- eines eben so tiefen Denkers wie that- 
kräftigen Mannes trägt und über welche die Zeit schon ihre Furchen ge- 
graben hat. Und wie in dieser Gestalt, so spricht sich in allen übrigen 
die reinste Wahrheit der Empfindung, die entschiedenste Individualisirung 
aus, welche es leicht vergessen lassen, dass die Gruppirung minder zer- 
streut, die Hauptfigur durch bedentendere Liehtwirkung mehr hervorgeho- 
ben und das Detail des spanischen Kostüme mit grösserer Freiheit behan- 
delt sein könnte. Dies sind Umstände, die der Künstler bei folgenden 
Leistungen mit leichter Mühe wird überwinden können; jene innerliche 
Kräftigkeit lässt Grosses von ihm erwarten und ist um so mehr anzuerken- 
nen, als dieselbe heutiges Tages (wie schon mehrfach angedeutet) nicht 
allzu häufig gefunden wird. 
Dies ist wiederum der Fall bei einem sonst wohl gearbeiteten Bilde 
von H. Stilke „Johanna d'Arc" (No. 947). Die kriegerische Jungfrau, 
halbe Figur, steht in voller Rüstung betend vor dem Altar einer Kirche. 
Der Untersatz des spitzbogigen Rahmens besteht aus drei kleinen, auf 
Goldgrund getuschten Bildern, welche die Weihe der Jungfrau zum Kampf, 
eine Scene des Krieges, in der sie als Siegerin über die Feinde erscheint, 
und ihr Ende auf dem Scheiterhaufen darstellen. Letztere sind vortrefflich 
componirt und von schöner, edler Zeichnung; dem Hauptbilde jedoch fehlt 
es, bei sehr sorglicher Ausführung, an energischer Duschdringung der Auf- 
gabe: dies Antlitz gehört nicht jener Heldin an, unter deren Schwerte die 
Tapfersten des feindlichen Heeres erlegen.  Ein zweites grösseres Bild 
von Stilke (N0. 948) stellt "Ludolph, Herzog von Schwaben, welcher nach 
dem Aufruhr gegen seinen Vater, Otto den Grossen, im Büsserkleide um 
Vergebung fleht", dar. Es ist ein waldiges Terrain, auf welchem der Kai- 
ser mit seinem Jagdgefolge herabgeschritten kommt; ihm entgegen hat sich 
der Sohn auf die Kniee geworfen und wird vom Vater mit Milde aufgenom- 
men. Die Ausführung des Bildes ist ebenfalls sorglich und wohl zu rüh-
	        
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