Fragmentarisches
über
die
Berliner Kunstau sstellung
vom J.
1836.
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Einzelnen nach allgemeinen Gesichtspunkten ordnen; aber der Mangel
bald dieses, bald jenes angekündigten Werkes erschwert die Aufstellung
der letzteren, und man läuft Gefahr, von dem Einzelnen ausgehend ein-
seitig zu urtheilen. Erst jetzt, da. uns nur noch ein Paar Wochen zur
Bilderschau übrig sind, sehen wir den grösseren Theil des Wichtigsten
zusammen; aber es wird jetzt wiederum schwer halten, den grossen Reich-
thum der Gegenstände, der alle früheren Ausstellungen Berlins in so
grossem Maasse übertrifft, der Kürze nach zusammenzufassen.
Von den Gemälden der Düsseldorfer Schule fehlt, wie es scheint,
nicht viel Bedeutendes mehr. Namentlich haben die gröSSßrßn Künstler
dieser Schule jetzt ihre langerwarteten Hauptwerke eingesandt. Lessing,
Mücke, Hühner u. a. m. werden durch Gemälde repritsentirt, welche die
Aufmerksamkeit und das Nachdenken des Beschauers in hohem Grade
erwecken; auch Schad ow's grosses Altargemälde (N0. 782) ist aufgestellt,
und es ist billig, mit dem Meisterwerke des Meisters die folgenden Be-
trachtungen zu beginnen. Das Bild ist, wie der Katalog besagt, für die
Pfarrkirche in Diilmen, als eine Stiftung des rheinisch-westphälisehen
Kunstvereins, bestimmt, somit wieder eins jener hochachtbaren Zeugnisse,
in welchen dieser Verein allen übrigen deutschen Kunstvereinen mit dem
Zwecke voranleuchtet: der Kunst unsrer Zeit eine monumentale Bedeutung
zu geben, diejenige Bedeutung, durch welche die Kunst vor drei Jahrhunder-
ten zu dem Gipfelpunkte höchsterBlüthe emporgeführt ward und ohne welche
sie, trotz aller Talente und Gönnerschaften, nie eine ähnliche Blüthe erreichen
wird. Doch ich habe von Schad0w's Bilde zu sprechen und nicht von
deutschen Kunstvereinen; indess muss ich mich auch hiebei auf das
eben Gesagte beziehen. Das Bild entspricht seinem Zwecke: es hat einen
monumentalen Charakter, hierin besteht seine Grösse vor vielen andern,
im Detail vielleicht bedeutenderen Leistungen. Das Bild ist für eine be-
stimmte Stätte, für den Ort heiligster, innerlichster Erbauung gefertigt, und
es ist nicht blos im Allgemeinen der Würde eines christlichen Hochaltares
angemessen , es hat in sich diejenige Erhabenheit, welche dem feier-
lichsten Orte der Kirche erst seine eigentliche Würde zu verleihen im
Stande ist. Es hat, bei dem Bestreben nach innerlicher Durchdringung
und Belebung, doch zugleich in der Composition des Ganzen, in der Stel-
lung und Geberde der einzelnen Personen, dasjenige symbolische Element,
die leidenschaftslosc Hoheit, die erhabene Milde, welche den Sinn, Gedan-
ken und Gemüth des Beschauers zu reinigen und zu beruhigen vermögen.
Das Bild ist von grossen Dimensionen. ln der Mitte der Stamm des Kreu-
zes, an dessen Fusse Maria sitzt, indem sie den Leichnam des Erlösers in
ihrem Schoosse hält. Zu ihren Seiten stehen zwei jugendliche Engel, mit
feierlichen, reichgeschmückten Chorgewanden angethan, der eine die Lanze
und die Nägel, der andere Ruthe und Dornenkrone haltend. Diese beiden
Engelgestalten sind es vornehmlich, welche dem Bilde seine eigenthüm-
liche Grossartigkeit verleihen. Ruhig, wie die Diener oder wie die Wäch-
ter des heiligen Amtes, stehen sie da; die einfach edlen Linien, in denen
ihre festliche Kleidung niedertlicsst, geben ihnen das Gepräge einer tiefen
Stille der Seele; in wehmüthige Gedanken träumerisch verloren, aber ohne
irdische Bangigkeit und Verzagen, blicken ihre holden Gesichter über
den Beschauer hinaus. Das heilige Amt, dem sie zur Seite stehen, ist das
Versöhnungsopfer, welches nunmehr vollbracht ist. Maria, die irdische
Muttgf des Geopferten, ist eine würdige, bedeutende Gestalt, nicht in dem