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Berichte,
Kritiken,
Erörterungen.
beide gar wohl getroffen, aber eben das zeigt recht deutlich die Lüge der
ganzen Erscheinung, das frech und unpassend Ersonnene derselben. Golo
musste bei dem Siegfried gut vorgearbeitet haben, dass solch leeres Trug-
bild diesen zum Todesurtheil gegen sein Weib und sein Kind, das er
nicht anerkennen will, bewegen konnte. Siegfried sitzt vor dem Spiegel
auf einem aus Knochen gebauten Stuhl; er ist im Begriff aufzuspringen
und den Drago mit der Faust zu erwürgen; sein Gesicht ist nicht mehr
so blühend, wie wir es auf dem vierten Blatte sahen, Spuren, vielleicht
mehr der Sorge, als der Krankheit fNeben ihm steht die Hexe Winfreda,
ein grosses Weib mit nackten muskulösen Armen; das lange Haar hängt
straff herab, arger Hohn zuckt über ihr Gesicht; wir kennen solche Ge-
stalten aus Walter Scott's Romanen. Hinter dem Siegfried steht, sich auf
die Lehne des Stuhls stützend, G010; er ist noch im Reisekleid. Heimlich
legt er der Alten eine Börse in die Hand und blickt mit in den Spiegel,
düstere Schadenfreude, befriedigte Rache und stete, unaustilgbare Lust an
dem Anblick des schönen Weibes im Gesicht. Ihm zur Seite ist ein offnes
Fenster; auf das Kreuz desselben hat sich ein grosser Schuhu gesezt und
glotzt in den Spuk herein.
9. Genovefa tlösst ihren Mördern Mitleid ein. Mit dem neugebornen
Kindlein ist sie hinausgestossen in die kalte Wüste, und nach dem Haupte
des Kindes reckt sich bereits die Hand des gedungenen Mörders. Sie
kauert angstvoll am Boden, umfasst das Kind mit dem linken Arm und
hält die Rechte schützend über seinem Kopf, indem sie tlehend zu den
Mördern aufblickt. Der eine von diesen, der Köhler Grimoald, ist auch
schon erweicht; er hält das Messer, das erst gegen sie gerichtet war, jetzt
zürnend dem andern entgegen. Dieser ist Benno. Wir erkennen auf den
ersten Blick dasselbe widerwärtige Gesicht, welches wir im sechsten Blatt
gesehen; der Kappe ist hier noch eine Hahnenfcder zugesellt, welche an
der Mütze steckt. Noch scheint er gar nicht Willens, sich seine Beute
entgehen zu lassen; dafür hat das von Natur so durchaus gleichgültige
Gesicht noch viel zu viel Bewegung. Indess, wenn er die linke Hand
nicht zurückziehen und mit der rechten, in welcher der Dolch befindlich
ist, weiter Vorrücken wird, so glauben wir es dem Ausdruck im Gesicht
des Grimoald, dass er aus seinen Worten Ernst machen wird:
das blanke
Zurück! sonst stoss' ich Dir
In Deinen Schelmenwanst.
Eisen
Vortrelflich hat Führich in dieser Figur des Benno die hastige Be-
wegung und das leise Zaudern bei der verfänglichen Drohung des Grimoald
auszudrücken gewusst; dazu kommt der vom Winde rückwärts geschlagene
Mantel, dessen Faltenwurf sehr gelungen ist. (An dem rechten Unterarm
des Grimoald könnte die Verkürzung deutlicher gezeichnet sein.) Zwischen
Beiden steht ängstlich das mitgelaufene Windspiel, dem hernach, als Zei-
chen des vollzogenen Urtheils, Zunge und Augen ausgeschnitten werden.
Die Handlung geht in einer wilden Schlucht vor, durch welche der Wind
hiniährt. In der Ferne sieht man die Thürme des Schlosses, zu dem Ge-
novefa nun nimmer zurückkehren soll.
10. Ein Engel tröstet Genovefa mit dem Bilde des Gekreuzigten.
Genovefa hat in dem von Menschen unbetretenen Walde in einer Höhle
ein gastliehes Asyl gefunden, das uns der Dichter freilich nicht allzu-
freundlich schildert;