Kunstausstelluug vom J.
Berliner
die
Fragmentarisches übar
1836.
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wenigstens nicht im Geiste des griechischen Alterthums gedacht, welches
keine Pallas Kallipygos kennt.
Doch genug dieser tadelnden Bemerkungen, wo uns ausserdem eine
solche Fülle der schönsten Vorzüge entgegentritt. Was wir oben über
Sohn's zarte Behandlung der Nackten geäussert, findet in diesem Bilde
seine vollste Bestätigung; ja es dünkt uns, wenn wir seine früheren Werke
in der Erinnerung durchgehen, als ob in keinem derselben diese höchst
vollendete Weichheit, diese Klarheit und Frische sichtbar geworden sei.
Der Rücken der Minerva, der gesammte Oberkörper der Venus, das schmach-
tend halbgeöünete Auge, mit dem sie auf den jugendlichen Richter nieder-
blickt, das stille Lächeln des Mundes ziehen in hohem Grade an. Amor
ist ebenfalls eine gar liebliche Gestalt, und nur das Tuch, welches er mit
ziemlich überflüssiger oder vielmehr irnschicklicher Decenz um die Hüften
gewunden hat, möchte störend sein. Des höchsten Preises würdig aber ist
Paris, vornehmlich der wunderschöne Kopf, welcher beschattet, im reiz-
vollsten Helldunkel, öffnen Auges zu der_Göttin der Liebe emporschaut.
Hier ist Fülle des Lebens und Daseins, ist die holdseligste Naivetät mit
der edelsten und reinsten Idealität verbunden, ist ein Beispiel der
höchsten Leistungen gegeben, deren die Kunst fähig ist.
Dass aber ein Künstler, der einen solchen Kopf zu bilden vermochte,
von selbst zur strengeren Kritik dessen, was mangelhaft erschien, auffor-
dern musste, dies, glauben wir, wird keinen Anstoss erregen. Und dass
ein solcher Künstler in der That zu den höchsten und untadelhaften Lei-
stungen berufen ist, dass es in seiner Macht steht, einen der Gipfelpunkte
seiner Kunst zu erreichen, dies wagen wir mit Ueberzeugung auszu-
sprechen.
Die Ausstellung zählt wenig Gemälde, welche den Kreisen der klas-
sischen Mythe angehören; die Richtung der Malerei unsrer Zeit wenig-
stens die der Malerei in Norddeutschland hat sich in andern Regionen
eingebürgert. Doch findet sich ein solches, welches durch ähnlich bedeu-
tende Dimension und durch die Stellung, die man ihm in der Nähe des
Sohdschen Bildes gegeben, unwillkürlich zur Vergleichung mit diesem
auffordert. Es ist das Bild von
Adolph
Henning.
Achill und Thetis (N0. 308), die Scehne nach dem ersten Buch der
Iliade. Achill sitzt, zürnend und weinend uber die von Agaillßm_noß_ 91'"
littene Schmach, am Ufer des Meeres; er stützt das Haupt 111 (119 111116
Hand und greift mit der rechten wild in die Falten des i-othen Mantels
Vor ihm steht Thetis, seine Mutter, welche die Klaged des Sohnes tier-
nommen hat und tröstend und Rache verheissend über die Fluten_zu 141m
geeilt ist. Sie legt sanft ihre rechte Hand auf seine linke und blickt _i du
bekümmert an, indem sie eben, wie es scheint, jene holden Worte: „Kl.n y
was weinst du? u. s. w." beginnen will. Ihr zur Rechten, etwas "Vene?
zurück, erblickt man ihren von Qelphinen gezogenen Miischälwägääldä
dem eine junge Nymphe wartend sitzt. Auf der linken Seite {S3 f? d_,
fern am Saume des Gestades, schreiten die beiden Herolde mi riseis. ie
sie auf Befehl des Agamemnon dem Achilles entführt haben und die nach
d Geliebten zurückblickt. Was die eigenthümlichen Vorzüge des
Sfillildschen Gemäldes ausmacht, jener weiche Reiz, jeneszarte Leben der
yarbe, ist in diesem Bilde nicht vorhanden, und somit die erste Wirkung