Ornamerlten-Zeichnungs-Schule in
100 Blättern.
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Ornamentcn-Zcichnungs-Schule in 100 Blättern, für Künstler,
Manufacturisten und Gewerbsleute. Gezeichnet und herausgegeben von
Bildhauer Conrad Weitbrecht, Modelleur für die König]. Württemb.
Eisengiesserei und Professor im Ornamcntenfache bei der Königl. Gewerb-
schulc in Stuttgart. 6 Hefte in F01. Stuttg. bei d. Verf,
(Museum
1sss,
Im _Fache'der Ornamentik spricht sich der allgemeine künstlerische
Geschmack einer Zeit aus. Die strengeren oder weicheren Formen des
Ornamentes, der Schwung und Fall seiner Linien, die besondre Weise,
wie die Gegenstände der Natur nachgeahmt, wie äusserlieh heterogene
Theile zu einem Ganzen verknüpft werden, alles dies und was sonst hieher
gehört, rnodificirt sich nach dem mehr oder minder reinen Gefühle für die
Form, nach dem edleren oder gemeineren Bedürfnisse des Auges. Nur in
einer wahrhaft gebildeten Zeit sieht man in den Formen des Ornamentes
Maass und Verhältniss durchgeführt, entwickelt sich in ihnen eine eigen-
thümliche Kraft und Elasticität, durchdringt sie ein innerer Organismus,
dessen Gesetz auch das freiste Spiel der Phantasie vor YVillkür bewahrt.
Es ist ein glückliches Zeichen unsrer Zeit, dass das Studium des
Oruamentes wieder mit Ernst und mit Bewusstsein von der Bedeutsamkeit
des Gegenstandes ins Leben tritt, dass man die Muster vergangener grosser
Kunstperioden aufsucht, die in ihnen waltenden Principien in das eigne
Gefühl aufzunehmen sich bemüht und unter solcher Leitung zu selbstän-
digen Productionen fortschreitet. Unser Sinn verlangt aufs Neue nach einer
schöngestalteten Umgebung und die Caprice einer blossen Mode beginnt
im Werthe zu sinken. r
Unter den zur Oeffentlichkeit gekommenen Bestrebungen für künst-
lerische Ausbildung des Ornamentes verdient das vorliegende Werk eine
ehrenvolle Erwähnung. Dasselbe ist vornehmlich aus den Studien der
klassischen Kunst, welche der Verfasser in Florenz. Rom, Neapel auszu-
führen wiederholte Gelegenheit hatte, entstanden und enthält, neben eignen
Compositionen des Verfassers, eine Auswahl der treftliehsten, zum Fache
der Ornamentik gehörigen Gegenstände des griechischen und römischen
Alterthums. Es ist dem Unterrichte, den der Verfasser in der Gewerb-
schule zu Stuttgart ertheilt, zu Grunde gelegt und hat sich daselbst bereits
durch einen glücklichen Erfolg bewährt, auf den es auch an andern Orten
Anspruch machen dürfte.
Der nächste Zweck des Werkes geht auf Uebung im Zeichnen des
Ornarnentes und demgemäss ist die äussere Einrichtung angeordnet. Die
Ausführung ist in lithographischer Kreide, die sämmtlichen Gegenstände
in der für Vorlegeblätter n-öthigen Grösse gezeichnet. Das erste Heft be-
ginnt, wie es bei-einem solchen Zwecke erforderlich war, mit einzelnen,
geraden und krummen Linien, aus denen sodann), im Verlauf desselben
und der beiden folgenden Hefte, zur Zusammensetzung einfacher und rei-
cherer Ornamentformen bis zu den kunstvollsten Gestaltungen fortgeschritten
wird_ Bei dem grössten Theil der zusammengesetzten Gegenstände ist mit
einfachen leichten Linien das Skelett des Ornamentes vorgezeichnet, um
den Schüler zu unterweisen, Wie die Grundlinien und Hauptfornien be-