Robert.
Leopold
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meine Bestimmung nicht ist, in Chaux-de-Fonds zu bleiben, und um inir
jene Energie mitzutheilen, deren ich unglücklicher Weise gewöhnlich nur
zu sehr entbehre."
Durch Einleitung des Freundes eröffnet sich ihm unmittelbar auf diesen
Brief eine günstige Aussicht zur Reise nach Italien, die ihn wiedenim
aufriclitet. „Du kannst Dir nicht vorstellen (schreibt er), Welche Freude ich
darüber empfinde; ein neuer Horizont eröffnet sich mir; einige schrneich-
lerische Hoffnungen bringen mir den Muth wieder, welcher mir so höchst
nöthig war." In demselben Briefe fügt er hinzu: "Einige Wochen habe
ich in Locle zugebracht, um einige Portraits in Oel zu malen. In Bezug
auf Aehnlichkeit gelingt es mir ganz wohl. Aber was mich hoffen lässt,
dass ich noch Fortschritte machen werde, das ist, dass mir all meine
Arbeit nicht gefällt, und dass ich es besser fühle, als ich es zur Zeit
machen kann."
Ein folgender Brief (vom 12. Deceinber 1817) schildert; wiedgrum seine
eigne Rathlosigkeit und sein freundes-bedürftiges Herz auf eine rührende
Weise: "Wenn 'ich nur auf mein Herz gehört hätte, mein theurer
Freund, so wurde ich sogleich _auf_Deinen Brief geantwortet haben, um es
Dir zu bezeugen, wie empfänglich ich für die Beweise der Zuneigung bin,
welche Du mir giebst. Aber wie kalt sind alle die Ausdrücke, um das
Glück, dass ich einen Freund wie Dich, Lieber. gefunden habe, zu schil-
dern! Du kannst die Wohlthat, welche Deine Freundschaft mir gewährt,
noch nicht wissen: sie belebt mich wie ein Talisman, sie erfüllt mich aufs
Neue mit Kraft, die mich zuweilen verlässt. Ich fühle es, ich neige zur
Melancholie, so wie ein Wandrer, der durch einen langen und mühevollen
Weg erschöpft ist, seinen Muth verliert, wenn er daran denkt, dass er
noch nicht am Ziele seiner Mühen angelangt ist; ebenso kann ich nicht
immer meiner traurigen Gedanken Herr werden, wenn ich den laugenWeg,
den ich noch zu machen habe, überblicke. Deine Briefe sind für mich,
was ein gutes Lager für meinen Wandersmann sein würde. Darum, mein
Lieber, denke an die Freude, die ihr Empfang mir bringt."
Vornehmlich ist es der Zweifel über seine eigentliche Bestimmung,
was ihn bedYüCkt: „Ich muss Dir meine neuen Pläne und Studien,
meine qualvolle Unentschlossenheit, für welche Kunstgattung ich mich
nunmehr entscheiden soll, mittheilen. Meine Wünsche treiben mich
zur Malerei; aber die Vernunft sagt mir, dass ich noch viel zu arbeiten
habe, ehe ich nur zu einer geringen Bedeutung gelangen kann; die Studien
in der Malerei sind kostbarer, die Modelle, die man für Kleinigkeiten
braucht, leeren die Börse. Im Kupferstich dagegen fehlt mir nur einige
Uebung mit dem Grabstichel, und ich zeichne hinreichend, um, wenn ich
mich etwas mehr an die Handhabung des Werkzeugs gewöhnt habe, Platten
anfertigen zu können, die immerhin für gute Arbeiten gelten dürften" Voll
der andern Seite wiederum sehe ich, dass es mir nicht an einer leichten
Pinselführung fehlt; alle Portraits, die ich gemacht habe, sind Sei" ähn"
lieh befunden worden; auch Herr Meuron hat mir viel Rührnliches darüber
gesagt, obgleich er über den Entschluss, den ich zu fassen habe, Ziemlich
wie ich denkt. Der Anblick Italiens wird mir, ich hoffe es, einige grössere
und freiere Gedanken geben. Wir verrosten hier, Hr. Meuron sagt es mir
alle Tage, er beklagt sich oft, dass er genöthigt ist, zu Hause zu bleibenß
Endlich kommt es zu der ersehnten Reise, deren Nähe alle bangen
Besorgnisse zerstreut. Am 30. April 1818 schreibt er von Neuchatel aus: