Berichte,
Kritiken,
Erörterungen
werden soll; sie lingiren wenigstens das System des Säulenbaues. Zuwei-
len hat der Verf. vor das Portal einen kleinen zweisäuligen Portikus mit
griechischem Gebälk oder mit einem Bogen, letzteren jedoch ohne Wider-
lagen 1), gesetzt; zuweilen eine offene Vorhalle im Gebäude selbst gebildet,
die durch einen grossen Rnndbogen überwölbt ist. Letztere Einrichtung
gewährt häufig etwas Grandioses, erinnert im Einzelnen (z. B. T. II) je-
doch wiederum zu sehr an römische Stadtthore, die eben nichts Kirchliches
haben. In einem Beispiel (T. XIV) ist diese Vorhalle als eine grosse Nische
(mit halbkreisrundem Grundrisse) gebildet, was uns für einen Eingang
von aussen ganz unpassend dünkt, wie trefflich diese Form auch für den
Abschluss des Inneren passt; überdies kann auch die Thür, die aus dieser
Nische in die Kirche führt, nicht dazu stimmen. In einem andern Beispiel
(T. III) nimmt die Vorhalle die ganze Breite des Gebäudes ein und öli-
net sich nach aussen durch Säulenarkaden, ein treffliches Motiv italie-
nischer, besonders mittelalterlicher Kunst, das aber hier wiederum gar
nicht mit der schwerfiilligen Masse der Fronte in Harmonie gesetzt ist.
Ueber die Mitte der so gestalteten Fronten erhebt sich der Thurm,
gemeinhin ohne alle Verbindung mit dem unteren Bau, ein sogenann-
ter Dachreiter. Bei den einfacheren Plänen ist es eine hohe, lange, vier-
eckige Masse, schwer, unverjüngt und ohne den Charakter des Empor-
strebens, den die gothisehen Baumeister so trefflich zu erreichen wussten.
Den Haupttheil dieses Thurmes bildet gewöhnlich eine grosse überwölbte
Oetfnung, darin die Glocken bangen. Gesimse theilen zumeist den Thurm
in mehrere Geschosse; auch finden sich Pilaster auf den Ecken in antiker
Weise angewandt, jedoch in der Regel, was Breite, Höhe, Entfernung an-
betrifft, ganz ohne alles Verhältniss der Säulenordnungen, schwer und
ungeschickt. Griechische Giebel bilden auch hier gewöhnlich den Ab-
schluss. In der Mitte des Giebeldaches findet man einige Mal eine Statue
errichtet, die aber, da sie von keiner leichten Spitze in die Höhe getragen
wird, stets nur aus der Entfernung von einigen hundert Schritten ganz ge-
sehen werden kann. Auch kommt statt deren einmal ein Engel vor, der
an einem Kreuze flattert, vermuthlich eine künstlerisch ausgebildete Wind-
fahne. Ein Beispiel dieser einfachen Gebäude (T. XIII) zeigt zwei Thürme
auf den beiden Seiten, die besser zum Ganzen stimmen und auch in sich
ein gutes Verhältniss haben. Eine grosse Uhr (zwei an dem eben genann-
ten Beispiele) nimmt ebenfalls überall eine bedeutsame Stelle ein. Ja,
auf einem Entwurfe ist dieser unkünstlerische Gegenstand mitten in das
Giebelfeld des Unterbaues gesetzt und sind kolossale Ranken-Ornamente
an seinen Seiten angeordnet: die Griechen, die hohen Meister des Verfas-
sers, stellten in die Giebelfelder ihrer Tempel die Bilder der olympischen
Götter. Man könnte an diesen Wechsel allgemeine Betrachtungen anknü-
pfen. In den Niederlanden dient der Thurm des Stadthauses, der kühne
Belfried, zum Tragen der Uhr.
Einer solchen widersinnigen Struktur ist der Vorwurf ebenfalls zurück-
zugeben, den der Verf. der Technik der gothischen Baumeister macht: „Wenn
man die eisernen Anker, Schlüssel, Schleudern und Bänder sieht, wodurch das
Alles mühsam zusammen und aufrecht gehalten wird, so kann man sich kaum
enthalten, die blinden Bewunderer solcher Künsteleien zu fragen, 0b ihnen auch
ßin Grotesktänzer, welcher sich und die Glieder seines Körpers durch Drähte
und Stricke in den wunderbarsten, kühnsten Stellungen und Verdrehungen er-
halten lässt, besser als ein griechischer Mime gefallen wiirdeß