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Berichte, Kritiken,
Erörterungen.
Karyatitlen, die unmittelbar und ohne Kapital im GegßnSail gegen die
schöne Anordnung bei der Karyatidenhalle des Erechtheums ein schwe-
res horizontales Gebälk tragen, u- S- W-
Was die Formirung der architektonischen Glieder im Detail anbe-
trifft, so zgigen sich zwar auch hier einzelne griechische Studien, doch bleibt
der Verfasser stets in einem unerfreulichen Schwankerbzwischen griechi-
scher und römischer Weise. Nur die Gestalt des Eßhinus erinnert an
griechische Motive, doch auch der späteren Zeit; der Rundstab erscheint
stets in der unelastisch römischen Weise, die ihn in einem vollkommenen
Halbkreise bildete; der Rinnleisten hat ebenfalls ganz die schwerfällige
Form der Römer und trägt überdies insgemein, nach moderner Manier,
die schwere Linie des Daches, statt leicht über derselben vorzuspringen.
Ueberhaupt hat die Zusammenstellung der Glieder durchhin etwas Schwe-
res und Ungefüges; und wo der Verfasser solche ohne antike Vorbilder
versucht hat, ist sie nicht selten imorganisch, ohne Berücksichtigung der
Gesetze des Druckes und Gegendruckes, ausgefallen. Man sehe das Fuss-
gesims auf T. VI, Fig. 6, das Kranzgesims auf T_ XXVIII, Fig. 3, u. a. m.
Ist der Verfasser demzufolge weder der grossartigen Einfalt der alt-
christlichen Basilika, noch der Reinheit und Consequenz griechischer For-
menbilduug treu geblieben, so findet sich immer noch Raum genug. um
eigenthümlich und allgemeinhin Tdchtiges und Würdiges zu leisten. Sehen
wir weiter.
Was die innere Anordnung, das wichtigste Moment bei einer christ-
lichen Kirche, anbetrifft, so haben wir gesehen, dass der Verfasser aus
den alten Basiliken die grossartige Altarnische beibehalten hat. Dies
sichert ihm für den bedeutendsten Theil der Kirche, auch wenn sie sonst
nur ein einfaches Langhaus bildet, eine würdige Gestaltung. Ueber das
profane Galleriewesen verschiedener Entwürfe" haben wir uns ebenfalls
schon ausgesprochen. Doch müssen wir noch hinzufügen, dass der Ver-
fasser in einem Entwurfe (T. XIII) die dorischen Säulen unter dem hori-
zontalen Gebälke der Gallerie ohne allen Grund so angeordnet hat, dass
die Zwischenräume abwechselnd grösser und kleiner ausfallen, noch
ein Beispiel von dem eigenthümlichen Missverständniss der Antike! Die
würdigste Anordnung der Gallerien zeigt der Entwurf auf T. XXI. Hier
sind die Säulenstellnngen, nach dem Vorgangc mehrerer Italiener, durch
kräftige Bögen verbunden, während die Dekoration der oberen Gallerie
eine Nachbildung der eigenthümlichen Oomposition zeigt, welche Palladio
für das Aeussere der Basilika von Vicenza erfunden hat, jedoch vernüch-
tert und zerbrochen, indem hier die neben dem Mittelpfeiler nöthigen Sei-
tenpilaster weggelassen sind.
Dies Galleriewesen fällt jedoch ganz fort, oder wird (in einem Beispiel,
T. XXIII) den Hauptformen der Pfeiler glücklich untergeordnet, wo der
Verfasser gewölbte Decken angewandt hat. Für diese ist stets die Form
des Tonnengewölbes gewählt, eine Form, die an sich gewiss bedeutend
und gross wirkt. Aber das Tonnengewölbe verlangt nothwendig eine feste,
horizontale Unterlage: der Verfasser lässt es dagegen überall (mit Aus-
nahme eincs Beispieles) unmittelbar von den Kapitälen der Pfeiler oder
Säulen ausgehen, wodurch er zu der tvitlerwärtigen Form der Stichkappen
verleitet wird und überhaupt jener höchst gewaltigen Gewölbmasse für das
Gefühl des Beschauers allen nothwendigen Halt raubt. Gewölbe, die un-
mlttelbar von Pfeilern ausgehen sollen, müssen nothwcndig die Form der