Volltext: Kleine Schriften und Studien zur Kunstgeschichte (Bd. 2)

Rheil 
nreise, 
1841. 
Erster 
Abschnitt. 
Willen der llithya (der göttlichen Geburtshelferin) erfolgte, erzählt. Eine 
weibliche Gestalt, halbentblösst am Boden liegend und auf den linken 
Arm gestützt, ist als Alcinene zu betrachten; ihr entgegengewandt, in hef- 
tiger, fast drohender Geberde, eine andre Gßstillt, deren kurzgßgüftßttß 
Tunika, sowie das über demKopfe fliegende Gewand vorzüglich der Diana 
(hier Diana llithya.) gemäss ist; als Geburtshelferin trägt sie ein Kindchen 
von sehr kleiner Dimension, somit unbedenklich ein neugebornes, in der 
Hand, aber unfreundlich in der Art, dass sie dasselbe am rechten Schen- 
kel gefasst hält, und dass Kopf und Aermchen niederhangen 1). Ein, für 
solche Erklärung nicht ganz passender Baum zwischen den beiden Haupt- 
ügureu, der auf ein landschaftliches Local deuten würde, darf als eine 
nicht sonderlich gewichtige Licenz von Seiten des spätröniisclien Künst- 
lers betrachtet werden.  Das untere Bild der Ostseite ist hüclilichst zer- 
stört; man erkennt hier nur noch, am untern Theil des Reliefs, geringe 
Reste einer einzelnen Person, den Kopf und den einen Arm, den sie auf 
den Kopf gelegt hält. Schorn vermuthet, dass hier die Begebenheit mit 
den Schlangenv Welßhe Zllf Wiege des Herkules kamen, möchte dargestellt 
geweSßll Sein; S0 dass man in diesem Kopfe (andern antiken Darstellungen 
derselben Scene geruäss) den Herkules selbst, oder etwa die Alcinene zu 
erkennen hätte. Die Vermuthung, obgleich sie natürlich nur als eine 
solche bezeichnet werden kann, scheint mir insofern nicht unpassend, als 
hier ohne Zweifel eine Darstellung zu erwarten ist, welche zuerst eine 
Bethätigung der heroischen Kraft in Ucbcrwindurlg des widerwilligen Ge- 
schickes vergegenwärtigte. 
Das grosse Relief der Nordseite entwickelt eine umfassendere Symbo- 
lik, die allerdings von der Andeutung individueller Verhältnisse wiederum 
zu allgemeinen Begriffen hinausführt. Wir sehen hier einen grossen brei- 
ten Kreis vor uns, auf welchem die Zeichen des Thierkreises dargestellt 
sind. Innerhalb des Kreises erblickt man einen von vier flüchtigen Russen 
gezogenen Wagen, auf welchem Herkules steht, an seinem Körperbau und 
an der Keule in seiner Linken deutlich erkennbar; über ihm erscheint der 
l) Osterwald's Zeichnung, auf welcher diese Erklärung begründet ist, darf 
gewiss als richtig und genau angesehen werden, zumal, da er zugleich eine Dar- 
stellung des erwähnten Kindchens auf einer besondern Tafel im grössern Maass- 
stabe und vollkommen detaillirt mittheilt. Ich muss freilich bemerken, dass das 
ganze Relief, abgesehen von einzelnen Beschädigungen, ausserordenilieh abgcwit- 
tert ist. Doch steht mir hier kein Urtheil zu, da ich beide Male, als ich Igel 
besuchte, für diese, der Sonne nur am frühen Morgen zugewandte Seite des 
Monuments eine höchst ungünstige Beleuchtung hatte, jenen lichtgrauen Wolken- 
himmel, der Alles mit Reflexen zu füllen und jede Schattenwirkung an den der 
Sonne entgegengesetzten Stellen aufzuheben pflegt. 
 (O. Jahn, in den Jahrbiichcrn des Vereins vonAlterthumsfreunden im Rheinlande, 
XI, S. 63 i'll, ist gegen die oben gegebene Erklärung des Reliefs der Ostseite, 
die nicht bloss durch den Baum schwierig werde, sondern bei der auch die 
ganze Deutung gezwungen sei. Ueberhaupt habe man nicht nöthig, alle Bilder 
auf die Herknlesmythe zu deuten, da ja ohnehin oft auf Monumenten, besonders 
der späteren Zeit, zwei verschiedene Mythen benutzt wurden, um als typischer 
Ausdruck der Idee des Urhebers zu dienen. Offenbar, so bemerkt er, ist Thetis 
dargestellt, welche im Begriff ist, den neugebornen Achilleus in das Wasser der 
Styx zu tauchen. Er verweist dabei auf das ganz ähnliche cnpitolinische Relief, 
Mus Capitül. IV, 17. Ich kann ullüll gegen das 'l'riftige dieser Bemerkungen 
nicht Vverschliessen 
	        
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