Volltext: Kleine Schriften und Studien zur Kunstgeschichte (Bd. 2)

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Pfälzische Studien. 
lialbsäule, versehen. Man sagte mir im Dome, diese Theile seien nach- 
träglich der Pfeiler- und Wandmasse eingebunden; ich glaubte, hierauf 
kein sonderlich grosses Gewicht legen zu dürfen, da mir die Gliederungen 
an dem voraussetzlich Alten und dem voraussetzlich Hinzugcfügten identisch 
zu sein und daher jedenfalls keinen wesentlichen Zeitunterschied zu be- 
zeichnen schienen. An selbständiger näherer Untersuchung des Thatbe- 
Standes verhinderte mich ohnehin die Kürze der Zeit und der trübe reg- 
nerische Morgen. Nehmen wir aber diese Gurtträger und die Gewölbbögen 
hinweg, so erhalten wir für die Hauptanordnung des Mittelschitfes doch in 
der That, in fast überraschender Weise, dasselbe System, welches ich als 
das ursprüngliche bei dem Dome von Speyer voraussetzen musste. Und 
nehmen wir an, dass der Dom ursprünglich ungewölbt gewesen und das 
Gewölbe erst später hinzugefügt sei, so können wir auch für die sehr auf- 
fällige Einrichtung der östlichen Chorabsis, deren Grundriss im Inneren 
halbrund ist, während sie nach aussen, in höchst compacter Weise, vier- 
eckig vertritt, eine Erklärung linden; es wäre dann eine, erst Später hin- 
zugefügte Verstärkung der Mauermassc, zur Widerlage gegen den Druck 
und Schub" der östlichen Kuppel. Bemerkenswerth ist es ferner, dass, 
während an den Obertheilen des Innern so vielfach Details spätromanischer 
Zeit erscheinen, die Basamente des Innern doch zumeist noch ein fast auf- 
fällig strenges Gepräge tragen. Sehr zu beachten ist es sodann, dass 
Schannat keinesweges von einem Neubau, der im Jahre 1181 geweiht 
wurde, Bündeln ßllsdrüßklißh nur von der Wiederherstellung eines älteren 
Baues spricht. Er sagt dies an zwei verschiedenen Stellen seines Werkes 1), 
zuerst mit der Bemerkung, dass der Bischof Konrad von Worms die 
Weihung vollzogen, nachdem er den "zum grossen Theil" zusammenge- 
stürzten Dom wiederhergestellt; dann mit der noch bestimmteren Angabe, 
dass die Weihung vor sich gegangen, nachdem der Bischof die „den Ein- 
sturz drohende" Kirche zu ihrem früheren Zustande zurückgeführt. Freilich 
fehlt dieser Notiz die urkundliche Bewährung; doch wird ein so sorgfäl- 
tiger Sammler wie Schannat jedenfalls nur bei dem unwiderleglich entge- 
gengesetzten 'l'hatbestande des Irrthums zu beschuldigten sein; auch wird 
zunächst um so mehr vorausgesetzt werden müssen, dass sein Bericht einer 
guten Quelle entnommen ist, als er ihn zweimal ohne Bedenken giebt. 
Es hat also in der That den Anschein, dass bei dem Dome von Worms 
ein ähnliches Verhältniss obwaltet, wie ich es gegenwärtig bei den Domen 
von Mainz und Speyer habe voraussetzen müssen, d. h. dass er im Beginn 
des zwölften Jahrhunderts als eine im Mittelschiff flachgedeckte Pfeiler- 
basilika erbaut wurde und hievon erhebliche Theile, das Grundsystem des 
Inneren bildend, noch erhalten sind, und dass er erst später, gegen den Schluss 
des Jahrhunderts, mit Hinzufügung der erforderlichen Theile, in eine Ge- 
wölbkirche umgewandelt wurde. Hiebei würden aber zugleich, worauf 
Schannat hindeutet, vielfache Schäden der alten Anlage auszubcssern ge- 
wesen sein; die vorhandenen erheblichen, mehr oder weniger dekorativen 
Verschiedenheiten in den Einzelabschnitten des inneren Systems scheinen 
es zu bestätigen, dass hier eben nur Einzelarbeiten vorgenommen wurden, 
während (wie schon in Betreff des Mainzer Domes bemerkt) bei einem 
völligen Neubau die Durchführung eines gleichartigen Planes wenigstens 
Hist. 
Wormatiansis, 
episcopatus 
und 
360.
	        
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