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Studien.
Pfälzische
eine andere Sprache, als die ist, die uns vom Herzen tliesst. Alle diese
bunte Bemalung und Vergoldung an Wandtlächen, Säulen, Gesimsen, Ge-
wölben will uns dies alte Haus neu machen, will uns das Gefühl erwecken.
als wären wir, die Menschen von heute und das Haus von acht Jahrhun-
derten, Kinder desselben Tages; und doch empfinden wir es gleichzeitig.
dass es nicht so ist, dass durch all diesen Glanz und diese Pracht ein
Zug unlösbaren Zwiespaltes hindurehgeht. Neu wird der Tempel doch
nicht, und er hat, für das Innere Wenigstens, nur die Heiligkeit des Alter-
thums eingebüsst, die die Geister der Jahrhunderte und ihrer Geschicke
uns umschweben lässt, die in jenen Formen mit der mahnungsvollen
Stimme derer, die geschieden sind, zu uns sprechen sollte. Es ist ein
tief bedeutungsvolles Wort, „dass die Tempel alt sein sollten." Man wird
mir vielleicht entgegnen, dass der Speyerer Dom ja schon, nach schmäh-
lichen Verwüstungen, restaurirt, in unschöner nüchterner Erneuung auf
unsre Tage gekommen war, und dass die jetzige Erneuung Wahrlich wür-
diger ist, als die bisherige. Immerhin! waren es doch die alten Formen,
wenn auch nicht überall mehr die alten Steine; konnte man doch durch
eine einfach ernste Färbung jedenfalls diejenige gesammelte Stimmung
hervorbringen, die den alten Formen ihr volles, unbeirrtes Recht gegeben
hätte. Wir würden dann in diesem hehren Bau, dessen bunter Schimmer
uns jetzt zerstreut, verwirrt, blendet, innerlicher bewegt, tiefer ergriifeit
worden sein, während die mannigfachsten künstlerischen Einzelwerke, der
Gegenwart zum selbständigen und wahrhaften Ausdrucke, in seinen weiten
Hallen immerhin, wie die Enkel im Hause der Ahnen, eine Heimat hätten
finden können.
Die Ausstattung des Inneren hat noch zu weiteren Wünschen Anlass
gegeben. Die Wünsche haben auch wohl zur Klage darüber geführt, dass
man jener Ausstattung nicht die, als noch wichtiger bezeichnete Erneunng
verdorbener Aussentheile des Domes habe vorangehen lassen; und vielleicht
finden Wunsch und Klage bei der grossartigen Unterstützung, die dem
Gebäude schon zu Theil geworden, ebenfalls ihre Erhörung. 1) Es handelt
sich um den westlichen Vorbau, den der Würzburger Architekt Neumann
bei der 1772 begonnenen Restauration des Domes aufgeführt hat. Es ist
ein seltsam eigenthümljches Werk, charakteristisch für seine Zeit, mit der
Hauptkuppel in der Mitte und den kleinen Kuppeln zu den Seiten an
russisch-orientalisch-byzantinisches Wesen erinnernd, fast verwunderlich,
und dennoch (etwa mit Ausnahme der kleinen Obelisken an den Ecken.
die die Stelle von Strebepfeilern zu vertreten scheinen), nicht in absolutem
Widerspruch gegen das Ganze, nicht geradezu unwürdig. Man will statt
seiner einen neuen, mächtigen Vorbau im eigentlichen Style des Domes
haben. Fordert dies das praktisch kirchliche Bedürfniss, so wird Nichts
dagegen zu erinnern sein; anderweit will mir das Bedürfniss nicht sonder-
lich einleuchten. Ob durch einen Neubau etwas erreicht wird, das die
Nachwelt in der That für besser erachtete als den gegenwärtigen Vorbau
steht dahin (exempla sunt odiosa); und wird es ein Vorbau im rein
1) Seit ich das Obige geschrieben, ist in der That bereits ein nVerein zur
Wiederherstellung der Vorderseite des Kaiserdoms zu Speyer" gegründet werden
und sind durch denselben Aufforderungen zur Sammlung von Beiträgen für das
Herstellungswerk erlassen. Ich glaube, meine persönliche Ansicht dennoch aus-
sprechen zu dürfen.