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Pfälzische Studien.
die neue Fensteranordnung, vielleicht diesen ganzen obersten Theil der
Wände erneuend, einrichtete.
Nur eine Schwierigkeit macht sich bei dieser Annahme geltend; sie
besteht in der Form der Gesimsgliederungen, die zum Theil auf eine
spätere Zeit deuten, als diejenige ist, welcher die ursprüngliche Pfeiler-
basilika zugeschrieben werden müsste. Jenes horizontale Gesims zwar,
welches, von den emporsteigenden Wandvorsprüngen durchbrochen, über
den unteren Arkaden hinläuft, hat ebenso die streng alterthümliche Form
der Platte und schrägen Schmiege, wie dies zugleich die Form der Kämpfer-
ansätze der Bögen der Blendnischen ist; auch erscheint sie in einzelnen
Fällen bei den unteren Kämpfern der Pfeiler. Ueberwiegend sind die
letzteren jedoch in bewegtercn Formen gebildet, und zwar in solchen, die
zum grösseren Theile den Gesimsformationen der Gotthardts-Kapelle ent-
sprechen, also ungefähr die Epoche der letzteren bezeichnen. Aber schon
Schnaase hat bei Besprechung dieser Details darauf hingedeutet, dass
das, SchiH des Mainzer Domes manchen Einzelreparaturen unterlegen zu
haben scheine und dass diese Gesimse von bewegterer Formation bei
solchen später eingefügt sein möchten. In der That halte ich dies, bei
den vielfachen Schäden, die das Gebäude nach den alten Nachrichten er-
litten hat (und die natürlich um so mehr an Zahl zunehmen, in ein je
höheres Alter seine ursprünglichen Theile zurückgehen), für völlig wahr-
scheinlich; wobei als unterstützender Grund anzuführen ist, dass diese
reicher gegliederten Kämpfergesimse durchaus nicht nach gleichem Systeme
gebildet sind, somit vielmehr das Gepräge der Einzelthätigkeit als das
eines festen architektonischen Planes zur Schau tragen, und dass zugleich
mehrere von ihnen eine Formation haben, die fiiglich selbst aus jener
alten Bildung, welche ich als die ursprüngliche voraussetze, herausgemeis-
selt sein konnte, dass mithin an solchen Stellen auch ein Einfügen neuer
Steine mit Nothwendigkeit nicht anzunehmen sein dürfte.
Die schliessliche Entscheidung über alles dies wird freilich von einer
materiellen Lokaluntersuchung falls eine solche bei der Tünche, die
das Innere des Domes deckt, überhaupt ausführbar ist zu erwarten sein.
Einstweilen aber kann ich mit Ueberzeugung nur bei der Ansicht ver-
harren, die in dem Kern des Mainzer Domes, ebenso wie in dem von
Speyer, eine Pfeilerbasilika aus der Frühzeit des romanischen Styles, also
muthmaasslich den in den Jahren zwischen 1009 und 1037 ausgeführten
Bau (falls nicht gar, was indess wohhminder wahrscheinlich, den im
Jahr 978 gegründeten) erkennt. Ich freue mich, dass sich mir auch hierin
meine früher ausgesprochene Ansicht über das ursprüngliche Alter des
Mainzer Domes für die Hauptsache bestätigt, da hier in der That, bei der
Kahlheit der später hinzugefügten Theile, das Ursprüngliche den Gesammt-
eindruck ebenso bestimmt, wie der letztere bei dem Speyerer Dome umge-
kehrt durch die für (las Gewölbe berechnete durchgreifende Umwandlung
bedingt wird. Ich bleibe also auch bei der Ansicht, dass die alten Ost-
thürme des Mainzer Domes (die zugleich mit dem Reste des Limburger
Rundthurmes völlig übereinstimmen und die auch v. Quast derselben
Früh-Epoche, freilich als ihr einziges Ueberbleibsel, zuschreibt) dieser alten
Anlage angehören. Die Umwandlung des Domes für die Zwecke des
Gewölbes gehört dann ohne Zweifel in das zwölfte Jahrhundert und mag,
obgleich Schnanse allerdings ganz richtig dargcthan hat, dass dies nicht