Geschichte
des
Kostüms.
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Geschichte des Kostüms. Die Tracht, die baulichen Einrichtungen
und das Geräth der vornehmsten Völker der östlichen Erdhälfte. Von
Hermann Weiss. Erste Abtheilung; erster Theil. Berlin, Ferd. Dümmlers
Verlagsbuchhandlung. 1853. (XXII u. 406 S. in S.)
Kunstblatt
1853,
Die darstellende Kunst hat schon seit geraumer Zeit das Streben, ihren
Gebilden das Gepräge des geschichtlich Angemessenen zu geben, sie in
derjenigen Erscheinung vorzuführen, welche das historische Bedingniss
fordert. Es genügt ihr nicht mehr, ihre Gestalten nur etwa zu Trägern der
Sllbjectiven Empfindungen, die das Gernüth des schaffenden Künstlers er-
füllen, zu machen, nur etwa das allgemein Menschliche an ihnen heraus-
zukehren; sie ündet sich auch mit den herkömmlichen conventionellen
Andeutungen, welche bisher zur Bezeichnung der einen oder der andern
Weltgeschichtlichen Epoche dienen sollten, in keiner Weise mehr befriedigt.
Sie verlangt eine vollkommen objective Charakteristik, eine solche, welche
das darzustellende Ereigniss mit seinen Persönlichkeiten und Umgebungen
als das Ergebniss bestimmter geschichtlicher und culturgeschichtlicher Ent-
wickelungsmomente erkennen lässt und das hiezu Nöthige in voller Ent-
schiedenheit durchführt. Es ist die energische wissenschaftliche Entwicke-
lung der neueren Zeit, welche, wie auf viele andre Gebiete des Lebens, so
hierin auch auf die Kunst ihren unausweislichen Einfluss kundgiebt,
welche von der Kunst in dieser Beziehung vielleicht ihren schönsten Lohn
erwarten darf. Was die Wissenschaft erforscht, hat die Kunst zur leben-
digen Gestalt durchzubilden; aber auch die Kunst selbst wird sich im Ver-
folgen dieser Richtung, wenn sie es will und äussere Ungunst ihr nicht
zu hemmend gegenübersteht, wiederum zu Leistungen h ö chste n
Ranges, Zll eigenthümlichen, die noch keine frühere Zeit kannte, entwickeln.
Solchem Streben zu genügen, wird freilich ein ernstliches Studium er-
fordert. Der Künstler muss nicht bloss die Begebenheit an sich, die er
darstellen will, nicht bloss den Geist, das innere Lebensgefühl der ge-
schichtlichen Epoche, welcher diese Begebenheit angehört, der volksthüm-
liehen Zustände, aus denen sie hervorgegangen ist, kennen; er muss zu-
gleich mit allem Aeusseren, was die Erscheinungen des Lebens in dieser
geschichtlichen Epoche bedingte, und mit der eigenen Entwickelung des-
selben vertraut sein. Jenes ist Sache der allgemeinen Bildung, dies die
Sache des eigentlich künstlerischen Spezialstudiums. In der That ist die
Geschichte des Kostüms mit welchem Worte wir jene äusseren Dinge
zu bezeichnen pflegen heutiges 'l'ages fürden darstellenden Künstler
ein ebenso wesentliches Studium, wie z. B. das der Anatomie und der
Perspective.
Es sieht aber mit diesem Studium und zunächst mit den Mitteln des-
selben bisher noch Wenig erfreulich aus. An Material fehlt es nicht.
Wir besitzen Werke, aus grossen Reihefolgen dickleibiger Foliobände be-
stehend, die das Kostüm einzelner Nationen, sowie derer der gestimmten
Welt. abhandeln; wir haben eine Ucberfülle bildlicher Beispielsammlungen
für mehr oder weniger ausgedehnte Epochen; wir linden Einzelheiten