Volltext: Kleine Schriften und Studien zur Kunstgeschichte (Bd. 2)

Die 
Deckengmnäldß in 
dar Alhambra. 
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wie dort vorherrschend. Alles in diesen Vorgängen ist deutlich erzählt- 
alle Motive sind klar und bestimmt gegeben, aber mehr oder Weniger fehl; 
ihnen in der Durchbildung doch noch die freie reale Kraft; die Köpfe 
haben zumeist eine grosse Liebenswürdigkeit des Ausdruckes, aber doch 
nur das Allgemeine desselben, ohne das Charakteristische des Momentes 
irgend zu erschöpfen. Die Modcllirung verhält sich, wie bei jenen grossen 
Gestalten, auch nur mehr andeutend; die Haare sind, wie dort, von lichter 
Farbe, meist blond. Die Thiere, die auf diesen Darstellungen in grosser 
Anzahl vorkommen, sind genau nach den Eigenthüntlichkeiten der Gattung 
aufgefasst, oft mit sehr guter Beobachtung des momentanen Motivs, aber 
auch sie noch ohne die freie Lebendigkeit der wirklich realen Kunst. Noch 
conventioneller, obgleich bei ebenfalls sorgfältiger Unterscheidung der ein- 
zelnen Gattungen und Arten, sind die Bäume und Pflanzen behandelt. 
Die Architekturen sind mit einer gewissen conventionellen Perspective, der 
wiederum noch die eigentliche Anschauung und das Bewusstsein ihrer Ge- 
setze fehlt, gegeben. 
Das allgemeine kunstgeschichtliche Verhältniss dieser Arbeiten spricht 
sich, meines Bedünkens, nach alledem ziemlich entschieden aus. Die letzte 
Entwickelung des germanischen Elements in der bildenden Kunst, noch 
die ganze Würde desselben bewahrend und zugleich bereits verbunden mit 
einer schönen und edeln Natürlichkeit, die aber zur individuellen Freiheit 
noch nicht durchgedrungen ist und dadurch eben das Eigenthümlichste 
jenes Styles noch unverletzt lässt, gehört in solcher A_rt  ohne die Jahre 
oder Jahrzehnte zu ängstlich zu zählen  nach den bisherigen Ermitte- 
lungen über den allgemeinen Gang der künstlerischen Entwickelung, der 
Zeit um 1400, und mehr der Frühzeit des funfzehnten als der Spätzeit des 
vierzehnten Jahrhunderts, an. Eine grössere Reihe von Jahrzehnten früher 
oder später würde der gleichmässige Adel beider Elemente bestimmt nicht 
mehr in so klarer Verbindung erscheinen. Ich kann mich daher vor Allem 
der von Viardot (in den nMußöeß fTESpagne") ausgesprochenen Ansicht, 
indem er die Gemälde in {die Zeit nach der spanischen Eroberung Gra- 
nada's (1492) hinabrückt, nicht anschliessen. Wenn die Gemälde etwa 
um 1500 fallen sollten, wenn so spät noch eine alterthümliche (germanische) 
Reminiscenz. aus irgend welcher lokal-schulmässigen Tradition, bei ihnen 
sich geltend machen dürfte, so konnte die letztere jedenfalls, wie alles 
Alterthümelnde, eben nur in der trockneren Weise der Reminiscenz er- 
Scheine-II, unter keiner Bedingung aber das so unendlich abweichende 
Moderne dieser späteren Zeit (um 1500) völlig verläugnet werden. Der 
einzig triftig scheinende Grund für diese spätere Zeitstellung der Gemälde, 
der Umstand, dass der Islam im Allgemeinen keine iigürlich darstellende 
Malerei verstattete, ist eben so wenig zureichend. Wie die spanischen 
Mauren, im regsten wechselseitigen Verkehr mit den Christen der Halb- 
insel, ßiancherlei von der Art und Sitte der letzteren aufnahmen, was nicht 
überall mit ihren religiösen Geboten im Einklang stand, so konnten sie 
sehr füglich im einzelnen Fall sich veranlasst sehen, auch ein Stückchen 
des bildlichen Kunstgenusses von Jenen sich anzucignen; ebenso, wie 
Sultan Mohammed lI., in der späteren Zeit des funfzehnten Jahrhunderts, 
den venetianischen Male? und Medaillen? Gentile Bellini nach Constanti- 
nopel berief und durch diesen u. A. sein Bildniss auf einer Medaille fer- 
tigen liess. (Dass ausserdem namentlich die Perser die ganze Fülle bild- 
licher Darstellung besitzen und in ihrer Weise verwenden, ist bekannt.)
	        
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