Berichte und
Kritiken
Ernstes ganz ausgeschlossen habe. In meinem Handbuch heisst es aber:
Cranaeh habe Vieles mit Dürer gemein; doch trete bei ihm an die Stelle
jenes tiefsinnigen Ernstes etc. mehr eine naive, kindliche Heiterkeit etc-
Ich wüsste wahrlich nicht, dass hiemit etwas Andres gesagt ist, als in den
oben angeführten eignen Worten des Verfassers, in denen er Dürer als
den Ernstesten und Cranach als den Naivsten bezeichnet. Einzelnes unter
den Bemerkungen meines Handbuches lässt der Verfasser gelten; in Betreff
einzelner Bilder (sofern dieselben dort als Originale genommen) hat er
dagegen wiederum viel zu rügen. Ich nehme diese Belehrungen, wie
schon bemerkt, willig an und gebe demnach zu, dass hienach das Ürtheil
über Cranach, d. h. soweit es seine eigenhändigen Leistungen, nicht
aber die von ihm sehr wesentlich mitvertretene Gesammtrichtuug betrifft,
ab und zu ein wenig zu modificiren sein wird. Schnaase hat, in einer
Recension der zweiten Auflage meines Handbuches, diese Gesammtrichtung,
das Volksthümliche derselben, das an Volksbücher und Volkslieder Er-
innernde, was den Cranach zum Hans Sachs der Malerei macht, in ihren
naturgemäss gegebenen Gegensätzen sehr geistvoll näher entwickelt. Der
Verfasser sagt, dass ihm dies Räthsel seien: freilich wird es nöthig
sein, den Sinn für deren Lösung mitzubringen.
Ich aber kann schliesslich das ganze Wesen von Cranachs künstleri-
scher Richtung hierin, in dem zünftig Volksthümlichen und Volks-
mässigen, wiederum nur zusammenfassen. Wir wissen so viel wie
Nichts aus seinen ersten zwei und dreissig Lebensjahren; wir müssen an-
nehmen, dass er in dieser Zeit seine Kunst sehr fleissig erlernt habe, und
wir können aus allerbestem Grunde (da eben kein Werk seiner Hand aus
dieser Zeit bekannt ist) annehmen, dass er sie so lange fast völlig hand-
werklich betrieben habe. Wir sehen ihn aber auch die ganze übrige Zeit
seines Lebens hindurch als Handwerksmeister thätig, der die gemeinsten
Arbeiten mit übernimmt, der Kunstarbeiten schockweise liefert und der
durchaus keinen Anstand nimmt, auch Gesellenarbeiten aus seiner Werk-
statt hinauszusenden. Wir sehen in ihm selbst einen Schnellmaler, der in
der Schnelligkeit noch einen „Luca fa presto" übertrifft, und wir sehen
ein solches Verfahren möglich gemacht dadurch, dass er das Charakteri-
stische der Arbeit, wie fein immerhin, wesentlich auf den Umriss redu-
cirt, ähnlich wie durch dasselbe Verfahren die Maler im Klosterstaate des
Berges Athos noch heute Tausende von Figuren in wenigen Wochen aus-
führen und dabei in ihrer Art doch auch Styl und Adel bewahren. Wir
sehen (was solcher Schnellmalerei ebenfalls förderlichst entgegenkommt)
seinen künstlerischen Styl bei seinem ersten, uns bekannten Auftreten
fertig und ein halbes Jahrhundert hindurch als ein im Wesentlichen
Feststehendes immer und immer wieder zur Anwendung gebracht. Wir
sehen endlich in seinen Bildern Stimmung, Innigkeit, Gemüth, Laune,
Derbheit, Humor, bunte Phantasie, ganz der Weise entsprechend, wie
(liESB Sich in dem allgemeinen Volksgeiste äussern, und nur erst in
sehr bedingtem Maasse vom persönlichen Künstlergeiste so erfasst und
durßhdfllngen, dass hiedurch sich eine tiefere Erfüllung des Daseins an-
kündigt. Seine Richtung und seine Werke und die sich ihnen mit einiger
Würde anreihen, müssen daher für uns, als ächter Abdruck des deutschen
Volksgeistes jener Tage, stets den allergrössten Werth haben. wenn wir
dabei auch nicht zu den Höhen des künstlerischen Strebens geführt werden_
Dies allgemein Volksthümliche macht es natürlich schwerer, als in andern