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Berichte und Kritikan.
nach seinen Zeichnungen von Holzschueidern, wie Unzelmann und die
beiden Vogel, geschnitten sind.
Ich habe schliesslich noch von Cranach's künstlerischem Charakter im
Allgemeinen und von der Bedeutung desselben zu sprechen. Was der
Verfasser hievon meint, muss aus verschiedenen, zum Theil etwas zer-
streuten Stellen des Werkes entnommen werden. Die Einleitung zum
zweiten Theile enthält einige Bemerkungen über Cranaeh's Technik. Sehr
wichtig und für Cranachs ganzes Kunstwesen charakteristisch bezeichnend
erscheint mir die Bemerkung: dass er seine, nur mit dünner Farbe ge-
machten Bilder in letzter Hand stets mit scharfen Umrissen beendete, also
das Gepräge der Zeichnung entschieden vorwalten liess. Der Verfasser hat
sich durch vielfache sorgfältige Untersuchung überzeugt, dass, wo diese
scharfen Couture gegenwärtig fehlen, sie stets durch unverständiges Putzen
verloren gegangen sind. Dann fügt er noch einige äusserliche Merkzeichen
in Betreff eigenhändiger CranacHscher Bilderihinzu: Das Zeichen der
geflügelten Schlange stets mit aufrecht stehenden Flügeln (Fledermaustlü-
geln), während auf den Atelierbildern, auf denen der Söhne, Schüler und
Nachahmer die Flügel der Schlange stets mehr oder weniger liegend (in der
Form von Vogeltlügeln) erscheinen. Keine Anwendung von Metallgold.
Keine runden Heiligenscheine. In den Fleischpartieen und selbst in den
Gewändern keine scharf aufgesetzten Lichter.
In der Einleitung zum ersten Theil bezeichnet der Verfasser Cranach
als einen Naturalisten, der durch Talent und natürliches Gefühl überall
sehr glücklich geleitet werde, wo es nicht auf umfassendere Kunstf0rde-
rungen ankomme. Vorzüglich ausgezeichnet sei er in einfachen Gestalten
und besonders als Portraitmaler. In Gestalten ernsterer Bedeutung, beson-
ders in seinen Madonnen und Christusfigureu, habe er einen höheren Adel
glücklich zu erreichen gewusst. Jedermann wird diesen, freilich noch
ziemlich allgemeinen Bemerkungen gern beistimmen. Der Verfasser stellt
Cranach ausserdem mit Dürer und Holbein zusammen, wie es scheint: als
die drei Häupter der deutschen Kunst; Dürer sei von ihnen der gründ-
lichste, ernsteste, umfassendste und gelehrteste, Holbein der beste Maler
und derjenige, welcher den meisten Geschmack hatte, Cranach der
naivste und der beste Colorist. Hiegegen möchte sich Einiges einwenden
lassen. Wenn Dürer und Holbein auch wohl die grössten der deutschen
Meister der Zeit sind, so dürfte Cranach gegenüber denn doch noch manch
Einer, besonders von den Süddeutschen, zu nennen sein. Dann bezeichnen
jene Drei nicht verschiedene Grundrichtungen; Oranach gehört zur Rich-
tung Dürerls (der der fränkisch-sächsischen Schule), ziemlich in der Art,
wie Nicolaus Manuel sich Holbein anreiht, wenn Manuel auch nicht so
gleichartig ist, wie Cranach, und nicht so viel geschaffen hat, wie dieser.
Und wenn der beste Maler dem besten Coloristen entgegengesetzt wird,
so wäre doch eine nähere Definition des allerdings wohl etwas delikaten
Unterschiedes zu wünschen gewesen.
Wegen der weiteren Auseinandersetzungen über Cranachs Kunstcha-
rakter verweist der Verfasser auf den Schlussabschnitt des ersten Theiles,
der eine kritische Zusammenstellung der Urtheile verschiedener Schrift-
steller über den alten Meister enthält. Der Verfasser überlässt es dem
Leser, sich danach schliesslich selbst sein Urtheil zu bilden; doch ist das
Resultat dieses Verfahrens, bei der grösseren oder geringeren, nicht immer
ganz unbefangenen Opposition des Verfassers gegen seine Collegcxi, im