des
Lucas Cranach
und
Aeltereu Leben
Werke.
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eines, auf einem Postarnente stehenden Löwen steckt, während ein Nan-
der sie umfasst, von ihr zurückgestossen wird. Der_Verfasser führt zu;
Erläuterung, aus dunkler Erinnerung, eine Erzählung an, die aber jeden-
falls nicht das Genügende zur Aufklärung des Bildes bringt (was auch in
seiner anderweit, I, S. 263, f., gegebenen Exposition desselben nicht der
Fall ist.) Ohne Zweifel ist es die Darstellung einer mehrfach vorkom-
menden Sage, die ursprünglich, wie es scheint, der Kirche S. Maria in
Cosmedin zu Rom angehört. Die letztere führt von einer kolossalen antiken
Brunnenmaske, welche sich seitwärts in der Vorhalle bedndet, in der Volks-
Sprache den Namen Bocca della veritä (Mund der Wahrheit). Das Volk
erzählt nemlich, die Personen, die vor Gericht einen Eid abzulegen hatten,
seien vor Zeiten genöthigt worden, ihre Hand in den Mund der Maske zu
stecken; ein falscher Schwur habe den Verlust der Hand zur Folge gehabt.
Einst ward eine Frau von ihrem Manne wegen Ehebruchs verklagt und
sollte ihre Unschuld beschwören. Der Liebhaber, mit dem sie sich ver-
gangen, erhielt davon Nachricht, stellte sich wahnsinnig und umarmte die
Beschuldigte, als diese eben zur Eidleistung ging; sie schwur nun, ihre
Hand in den Mund der Maske legend, es habe sie, mit Ausnahme ihres
Mannes, keiner je berührt als dieser Wahnwitzige. Die Maske verlor fortan
ihre Kraft. Die Geschichte ist in der "Beschreibung der Stadt Rom" etc.
llI., I., S. 379 ff., nachzulesen. Etwas verändert kommt die Sage in den
Geschichten des Zauberers Virgil vor. Im deutschen Volksbuch von Virgil
ist es, unter den andern wunderbaren Kunstwerken, die er für Rom arbeitet,
eine eherne Schlange, in deren Rachen die Hand zur Eidleistung gelegt
wird. Der Liebhaber der Frau tritt hier nicht als Wahnwitziger, sondern,
wie bei Cranach, direkt als Narr auf; auch ist Virgil selbst bei dem Vor-
gange gegenwärtig. Ich zweifle nicht, dass sich auch noch Abfassungen
der Sage vorfinden werden, in denen, statt der ehernen Schlange, wie in
dem Cranach'schen Bilde die Figur eines Löwen erscheint.
Indem ich von weiteren Einzelbemerkungen absehe, führe ich nur noch
an, dass der Abschnitt über Cranach's Kupferstiche und Holzschnitte mit
einer Einleitung versehen ist, in welcher sich der Verfasser sehr entschie-
den auf die Seite Derjenigen stellt, die in dem grossen Kampfe über die
Eigenhändigkeit oder Nichteigenhändigkeit der Holzschnitte das Banner
der ersteren tragen. Der Verfasser behauptet von einigen vorzüglichen
Cranachlschen Holzschnitten unbedingt, dass er selbst sie geschnitten habe.
Er bemerkt, „das Derjenige keinen grossen Anspruch auf Kunstkenner-
schaff machen dürfte, der es für wahrscheinlich hält, dass ein hand-
werksmässiger, wenn auch vorzüglich geübter Holzschneider diese Blätter
habe schneiden können." Ich bin unendlich fern davon, in diesen ge-
fahrvollen Kampf mit einzutreten, und ich darf mich dess um so weniger
gelüsten lassen, als meine kunsthistorischen Studien in keiner Weise so
weit reichen. Aber ich kann es nicht bergen, dass mir die armen Holz-
schncider von heute leid thun, denen, nach solcher Lage der Dinge, na-
türlich auch keine Aussicht auf sonderlich würdigen Erfolg oder Ehre
bleibt. Es wird hienach auch wohl in Frage stehen, ob etliche der merk-
würdigen (nicht sowohl technisch eleganten als künstlerisch frei und naiv
gearbeiteten) Holzschnitte in der neuen Prachtausgabe der Werke Friedrichs
dßS Grossen, die auf Befehl des Königs von Prcussen veranstaltet wird,
von Adolph Menzel, dem Maler, oder, Wie man hier in Berlin annimmt,