Volltext: Kleine Schriften und Studien zur Kunstgeschichte (Bd. 2)

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Berichte und Kritiken. 
Es wird dem Interesse der Leser entsprechen, wenn ich hier eine 
gedrängte Uebersicht der Lebensverhältnisse Cranaehls, wie sie sich nach 
diesen Mittheilungen herausstellen, folgen lasse. 
Lucas Cranach ist, wie bekannt, im J. 1472 zu Kronach in Franken 
geboren. Dass sein ursprünglicher Familienname "SIIIIÖET" geheissen habe, 
ist nicht hinlängliCh verbürgt. (Dass der angebliche Familienname ..,Müller" 
auf einer völlig willkürlichen Annahme beruht, ist längst erwiesen.) Die 
Familie übte schon in früheren Gliedern die Kunst der Malerei; er lernte 
dieselbe bei seinem Vater. Dass er, wie neuerlich vermuthet werden, ein 
Schüler des Matthäus Grunewald gewesen, "ist unwahrscheinlich; näher liegt 
die Vermuthung, dass der letztere sein Mitschüler war. Bis zu seinem 
zwei und dreissigsten Lebensjahre ist nichts Näheres über ihn bekannt; doch 
ist es, aus Gründen, wahrscheinlich, dass er schon vor dieser Zeit u. A. 
Wien besucht und dort gemalt hat. Dass er, wie überall behauptet wor- 
den, den Kurfürsten Friedrich den Weisen im J, 1493 auf dessen Wall- 
fahrt nach dem gelobten Lande begleitet habe, ist nicht zu erweisen und 
völlig unwahrscheinlich. 
Im J. 1504 trat er in die Dienste dieses Kurfürsten und liess sich in 
Wittenberg häuslich nieder; er empfing in diesem Verhältniss sofort ein 
Jahrgeld von 100 Gulden, während die andern Maler, die in Diensten des 
Kurfürsten standen, nur 40 Gulden empfangen hatten. Er war also ohne 
Zweifel ein Künstler von bereits anerkanntem Rufe 1). Wenige Jahre später, 
in einem Sendschreiben, womit ihm Dr. Scheurl im J. 1509 eine akademische 
Rede widmete, wird er als der erste deutsche Maler nächst Dürer bezeich- 
net; besonders wird hiebei'die Natürlichkeit seiner Bilder gerühmt, womit 
er Menschen und Thiere täusche und wird ihm die, durch steten Fleiss 
erworbene, "bewunderungswürdige Schnelligkeit", mit welcher er seine 
Bilder ausführe, zum besonderen Verdienst angerechnet, ebenso, wie er 
vier und vierzig Jahre später, auf der Inschrift seines Grabsteines, als der 
grösste Schnellmaler (pictor celerrianzes) gerühmt wird z). Ausserdem wird 
in dem genannten Sendschreiben die Liebenswürdigkeit seines persönlichen 
Verhaltens hervorgehoben. lm J. 1508 empfing er durch den Kurfürsten 
einen Wappenhrief und mit diesem das Wappen einer geflügelten Schlange, 
die er übrigens schon vorher als Künstlerzeichen geführt hatte. Vielleicht 
ist diese persönliche Auszeichnung mit der Reise in die Niederlande, die 
mann Vischer gearbeitete bronzene Denkmal des Kurfürsten Johann des Be- 
ständigen in der Schlosskirche zu Wittenberg erfordert hatte und welche sich 
auf 897 Gulden 4 Gr. 2 Pf. beliefen. 
1) Das Datum 1504, das frühste bisher bekannte auf Gemälden Oranachs, 
trägt jenes, auch von dem Verfasser beiläulig erwähnte Gemälde in der Gallerie 
Sciarra zu Rum, welches eine heilige Familie und eine Masse Engelchen in einer 
Landschaft darstellt. Dies zierliche und schon ganz in Oranachs eigenthümlicher 
Weise behandelte Bildchen ist, wie ich hier beifügend bemerke, ausser der Jah- 
reszahl mit einem verschlungenen LO bezeichnet, völlig in der Weise und nur 
feiner gebildet, wie das Mouogramm No. 6 (vom Jahre 1506) auf Schuchardfs 
Monogrßmmßnfefel.  2) Man hat früher geglaubt, dem Steinmetzen, der den 
Grabstein gearbeitet, einen Schreibfehler zur Last legen und den Oelerrimus in 
einen Ocleberrimus verwandeln zu müssen. Die anderweitigen Zeugnisse für 
Cranachs in der That ungewöhnliche Schnellmalerei beweisen aber, dass diese 
philologische Emellflatißll, wie so häufig die aus ungenügender Sachkenntniss 
hgfvofgagangellüll Textverbesserungen, eine völlig willkürliche war.
	        
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