Zur
Kunstgeschichte.
deutschen
Bremen
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sechzehnten Jahrhunderts. Blatt 6 enthält einen besonders wichtigen
Beitrag für die Geschichte der deutschen Kunst: die. Darstellung eines Holz-
schnitzwerkes von Albrecht Dürer, welches vor einigen Jahren auf dem
Schlosse des Herrn v. Palm zu Mühlhausen am Neckar aufgefunden wurde.
Der Gegenstand der Darstellung ist ein in mehreren Schalen übereinander,
mit reich barocker Dekoration sich aufbauender Brunnen, auf dessen Gipfel
die Figur eines Amor mit Pfeil und Bogen steht. Im Vorgrund sitzt auf
der einen Seite ein ritterlicher Herr, die Geige spielend; ihm gegenüber
und zu ihm hinblickend, eine üppig geschmückte Frau, die einen nackten
Knaben vor sich hat. Hinter dem Brunnen, an seiner ersten grossen Schale,
steht rechts ein Narr, mit der officiellen Kappe auf dem Kopf, der, wie
es scheint, Lust hat emporzuklettern; rechts einer, vermuthlich ein Ge-
lehrter, der eingeschlafen auf den Rand der Schale lehnt, während über
ihm, auf einem dürren Weidenbaum, ein Bauer mit verbundenen Augen
sitzt und nach der Schale hinuntertappt. Am Fuss des Brunnens ist
Dürefs Monogramm und die Jahrzahllöll. Die Abbildung des Schnitz-
Werkes ist. nach einer Zeichnung des Malers G. Kurtz, von dem Xylogra-
phen G. Deis ganz im Charakter der Dürerschen Holzschnitte gestochen.
Soweit hienach irgend zu urtheilen ist, finde ich in dem ganzen Werke
die Eigenthümlichkeit des grossen Meisters sehr entschieden ausgesprochen
und sehe so nöthig es überall sein wird, bei den ihm zugeschriebenen
Schnitzwerken die grösste Vorsicht zu beobachten, doch durchaus keinen
Grund, die Aechtheit des Monogramms anzuzweifeln. Die Veröffentlichung
des Blattes schliesst somit gewiss eine sehr dankenswerthe Bereicherung
unsrer kunstgeschichtlichen Kunde ein. Der erklärende Text giebt dem
Schnitzwerk den Titel des „Liebesbrunnens", der ohne Zweifel richtig ist,
ohne doch zugleich zur Erklärung der einzelnen Gestalten das Genügende
auszudrücken. Es ist ohne Zweifel eben ein Stückchen aus der phan-
tastischen Romantik jener Zeit, der gelegentlich auch Meister Albrecht
huldigte und deren unbefangene Plrläuterung noch nicht überall vorliegt.
Bremen.
Notizen
Kunstgeschicbtliche
VOm
Juni
Bremen besitzt eine Anzahl von kirchlich mittelalterlichen Gebäuden,
die in mehrfacher Beziehung interessant sind und zu einigen eigenthüm-
liehen Beobachtungen Gelegenheit geben. Vornehmlich lassen sie eine un-
gemein lebhafte und auch im künstlerischen Sinne erfolgreiche Bauthätig-
keit erkennen, welche hier in der letzten Zeit des sogenannten Uebcrgangs-
Styles stattfand und sich, wie es scheint, in das zweite Viertel des drei-
zehnten Jahrhunderts zusammendrängt. Sie zeigen dann, am Schlnsse des
Mittelalters, ein nicht minder durchgehendes und allem Anscheine nach
sich ebenfalls gleichzeitig äusserndes Bedürfniss nach einer Umwandlung
der überkommenen kirchlichen Lokalitäten, das ohne Zweifel auf triftigen