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Berichte und
Kritiken.
Carl I. Gemalt von Van-Dyck. Gestochen von Mandel.
ä Paris par Chardon aine et Aze. Verlag von Ernst Arnold in
Preis: 7 Thlr.
Imprimä
Dresden.
Kunstblatt
1851,
Es ist das Bild der Dresdener Gemälde-Gallerie mit der Halbtigur
König Carl's I. von England, welches uns der neue Kupferstich unserä
deutschen Meisters verführt. Das Gemälde hat 4 Fuss und einige Zoll
Höhe, der Stich eine Höhe von 141], Zoll bei 11 Zoll Breite. Der König
steht dem Beschauer gegenüber, im schwarzen Seidenmantel, den der linke
Arm an sich zieht, die rechte Hand auf die Krempe des Hutes gestüzt,
der auf einem teppichbehangenen Tische liegt. Das Haar ist seitwärts aus
der hohen, von dämmernden Gedanken durchspielten Stirn gestrichen und
fällt zur Rechten, neben der grossen Perle des Ohrrings, weit über den
reichen Spitzenbesatz des Halskragens hinab. Das Gesicht ist dem Be-
schauer zugewandt; der Blick geht aber, fast wie mit einer unsicheren
Scheu, am Auge des Beschauers vorüber. Die königlich geistvolle Stirn,
das müde Auge, das fast Haltlose in der unteren Hälfte des Gesichts bil-
den eigenthümliche Gegensätze; wir glauben das tragische Geschick des
Monarchen in diesen Zügen vorgebildet zu sehen. Auf dem Grunde der
Darstellung, oben in der Ecke, bemerken wir die Buchstaben C. R. (Carolus
Rex), mit der königlichen Krone darüber, und drunter die Jahrzahl 1637.
Van-Dyck hat seinen hohen Gönner also kurz vor dem Ausbruch der
Stürme gemalt, die, stets aufs Neue heraufbeschworen, ihn nach zwölf
Jahren auf das Blutgerüst führten. Julius Mosen, der Dichter, hat in
seiner schönen Beschreibung der Dresdener Gemälde-Gallerie eine tief
empfundene Schilderung des Bildes gegeben.
Mandel hatte mit dem Stich des Bildes eine schwierige, aber um so
mehr eine des Meisters würdige Aufgabe übernommen. Wir finden sie in
jeder Beziehung gelöst, dem Bestens gleich, was in ähnlicher Richtung die
Kunst des Kupferstiches geleistet hat. Uns spricht in diesem Kopfe eine
durchaus lebenvolle Auffassung an, sowohl was das allgemeine organische
Gefüge, als was jene feineren Elemente der Bildung, in denen sich der
besondre Ausdruck des Seelenlebens kundgiebt, betrifft. Die Wirkung ist
völlig die der zarten, meisterlich berechneten malerischen Behandlung,
die das Eigenthum eines Van-Dyck ist. Sehen wir näher zu, so finden
wir dies erreicht durch die so kunstvolle wie freie und ihres Zweckes
sichere Verwendung der verschiedenartigen Mittel, welche der Grabstichel
zur Gewinnung derartiger Effekte verstattet; die leisesten Wandlungen und
Stimmungen des malerischen Tones treten uns hier ganz im Charakter der
Farbe selbst entgegen. Dieselben Vorzüge gelten von der feinen Hand.
welche auf die Hutkrempe gestreckt ist. Es bedarf der näheren Anführung
kaum, dass alles Gesagte auch auf die Behandlung des StotTlichen in der
Gewandllllg. Soweit es davon überhaupt gilt, seine Anwendung findet.
Die Seide des Mantels mit ihren kleinbrüchigen Falten und der zierlichen
Nadelstickerei des Saumes, in verhältnissmässig feineren Strichlagen be-
handelt, steht zu der ruhigen volleren Breite des sammtcncn Aufschlages
des Mantels und der entsprechenden Ausführung desselben im wirksamen