Herr Dr. Lisch zu Schwerin hat über diesen Gegenstand in der vorigen
Nummer des deutschen Kunstblattes, unter der Ueberschrift „Messingschnitt
und Kupferstich des Mittelalters", neue Mittheilungen gemacht und darin
einige schätzbare Notizen zur Bereicherung unsrer Denkmälerkunde beige-
bracht. Es kann mich nur freuen, dass meine, schon in der ersten Auf-
lage des Handbuches der Kunstgeschichte und später mehrfach (namentlich
auch in N0. 26 des deutschen Kunstblatteß V- V- J-l gegebenen Anregungen
nicht erfolglos geblieben sind. Der Aufsatz des Hrn. Dr. Lisch ist jedoch
vorwiegend kritischer Art und wesentlich gegen mich gerichtet; so wird
mir vielleicht, zumal bei dem hohen Gewicht, welches er auf seine Aus-
führung legt, eine Erwiderung nicht versagt sein.
Hr. Lisch tadelt mich, dass ich früher von "bronzenen" Grabplatten
gesprochen und die Darstellungen derselben als ngravirte" bezeichnet habe.
Was das Material betrifft, so bestehe dasselbe aus Messing oder Kupfer,
nicht aus Bronze. Ich nehme diese Belehrung, wenn sie auf Grund ge-
nauer Untersuchung der einzelnen Denkmäler näher festgestellt sein wird,
bereitwillig au; ich bin mit meinem Ausdruck vielleicht nicht genau, oder
vielmehr nicht allgemein genug geWcSeIl- Aber, Wie gesagt: es dürfte
vorerst noch auf nähere Untersuchung des Einzelnen ankommen, denn be-
kanntlich ist es nicht immer ganz leicht, zu entscheiden, wo Messing auf-
hört und wo Bronze anfängt. Was die Technik anbetrifft, so befinde ich
mich, nach Hrn. Dr. Lisch's Auseinandersetzung, in einem gröblicheren
lrrthum. Bei den von ihm sogenannten Messingschnitten (d. h. bei den
Prachtarbeiten der in Rede stehenden Kunstgattung) sei nemlich von einer
Darstellung durch eingegrabene Umrisse gar nicht zu sprechen; hier sei
umgekehrt die darzustellende Gestalt, durch Vertiefung des Grundes um
ihren äusseren Contour, in gleichmässig erhabener Fläche stehen geblieben,
der Art: dass diese Behandlungsweise die erste Veranlas-
sung zum Holzschnittdruck und zur Erfindung der Buch-
druckerkunst gegeben habe. Ich weiss nicht, ob irgendwo Kunst-
arbeiten des in Rede stehenden Faches von so toller Beschaffenheit vor-
kommen, dass ein von ihnen unmittelbar zu nehmender Abdruck (denn
darauf einzig und allein müsste es doch ankommen) eine naturgemässe
Darstellung des Gegenstandes in Schwarz und Weiss und nicht das abso-
lute Gegentheil gäbe. So weit meine Kenntniss reicht, besteht die Dar-
stellung überall auch hier aus einer Zeichnung, deren Linien, wie im
äußeren Umriss, so namentlich auch im Inneren der Darstellung selbst
vertieft eingegraben sind, also iiberall aus dem diametral Elltgeggnge-
setzten der Holzschuitttechnik. Es 1st moghch, dass Beispiele vorkommen.
bei denen gleichzeitig der gesammte Grund um den äusseren Contour
herum vertieft ist: bei den mir bekannten und von mir genannten Bei-
spielen des von Hrn. Lisch sogenannten Messingschnittes (die er gleichfalls
namhaft macht) ist aber auch dies keinesweges der Fall. Bei diesen ist
der Grund überall mit einem reichen lcppichmuster geschmückt, dessen
Linien ebenso eingegraben sind, wie die der Hauptdarstellung, und bei