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und Kritiken.
Berichte
Kunstschäile, die das reiche England besitzt, gegeben war. Beide Werke
behandeln einen grossen Theil der wichtigsten unter diesen Kunstschätzen.
Doch dürfen wir desshalb Waagens Arbeit nicht überflüssig nennen, oder
etwa wünschen, dass er über die von Passavant bereits besprochenen Ge-
genstände möge kürzer hinwegegangen Sein; im Gegentheil ist es sehr er-
freulich, dass wir über diese Gegenstände nunmehr Zwei, zu einem gründ-
lichen Urtheil berufene Stimmen vernehmen können, auch wenn dieselben
nicht überall auf gleiche Weise lauten. Waagen's ganze Auffassung und
Behandlung ist eben eine andre, als die von Passavant, und die Verglei-
chung Beider ist wohl geeignet, dem Leser eine selbständigem Anschauung
zu bereiten, soweit eine solche überhaupt durch das geschriebene Wort
vermittelt werden kann. Dann hatte Waagen Gelegenheit, seine Reise
weiter auszudehnen als Sein Vorgänger, somit über manche Sammlungen,
deren Anschauung dem letzteren nicht gestattet war, Bericht zu geben;
vornehmlich ist es wichtig, dass er seinen Gesichtskreis nicht so eng be-
schränkt, wie Passavant, der im Wesentlichen nur von Gemälden und
Handzeichnungen spricht, und auch über die spätere Zeit, besonders über
die Cabinetsbilder des siebzehnten Jahrhunderts, die geradehin einen der
Glanzpunkte der englischen Kunstsammlungen ausmachen, nur einzelnß
gelegelllliChe Andeutungen giebt. Im Gegentheil zieht Waagen Alles, was
der bildenden Kunst, vom frühesten Alterthum bis in die jüngste Gegen-
wart herab, angehört, in seinen Bereich und tritt uns somit in der grössten
Vielseitigkeit der Anschauung und des Urtheils gegenüber. Dasselbe gilt
von dem dritten Theil seines Buches, der den besonderen Titel führt:
"Kunstwerke und Künstler in Paris." Dieser Theil bildet durchaus eine
neue Erscheinung im Gebiete der Kunstliteratur und füllt eine der empfind-
lichsten Lücken aus; da es unsbisher aneiner umfassenden und gründ-
lichen Charakteristik der ausgezeichneten Schätze, die in den Kunstsamm-
lungen von Paris bewahrt werden, noch durchaus mangelte. Zwar werden
hier im Wesentlichen nur die in den öffentlichen Sammlungen befindlichen
Werke besprochen; doch enthalten diese für Paris bei Weitem das Wich-
tigste, während in England die ungleich grössere Mehrzahl vorzüglicher
Werke in den Privatsaminlungen aufgesucht werden muss. Zudem sind die
merkwürdigsten Privatsammlungen von Paris bereits vor dem Dmck des
WaagerfschenBuches aufgelöst wurden.
In der äusseren Behandlung sind die Theile des Waagenschen Wer-
kes, welche sich auf England beziehen, von dem, der es mit Parisizu thun
hat, unterschieden, wie dies die Beschaffenheit des Stoffes mit sich bringen
musste. "In den ersten Theilen musste über eine grosse Anzahl von ein-
zelnen, zumeist zwar sehr werthvollen, doch nicht gerade sehr umfassenden
Sammlungen Bericht erstattet werden. Das Ganze zerfallt hier somit in
viele kleine Theile, die aber durch eine anmuthige Schilderung englischer
Sitte und englischen Lebens und der Umgebungen des letzteren verbunden
werden. Das Buch hat die Form vertraulicher Briefe, und wen den eigent-
lichen Kern, die Kunstberichte, überschlagen wollte, wurde nnnn in jenen
Schilderungen eine unterhaltende und belehrende Lectüre finden. Auf
diese näher einzugehen, ist hier indess nicht der Ort; "nur mag bemerkt
werden, dass auch in ihnen durchweg die feine, künstlerisch gebildete
Auffassungsweise des Verfassers hervortritt. im dritten 'l'heil waren zwar
ebenfalls verschiedene Sammlungen zu besprechen, die aber, als die Insti-
tute Einer grossen Residenz, nicht durch Zufall, sondern nach wissenschaft-