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Berichte und Kritiken.
Culturgeschichte seiner Heimat verdient gemacht hat, giebt hier einen
schätzbaren Beitrag zur Darlegung der kunstgeschichtlichen Entwickelungen
im altpreussischen Lande. Kloster Oliva, in reizender Gegend unfern Danzig
belegen, ist einer der frühsten und wichtigsten Ausgangspunkte christlicher
Cultur in Preussen; die Kirche des Klosters bewahrt den ältesten Rest der
in das Land eingeführten kirchlichen Architektur. Zwar glaubte man seit-
her, auf unzureichendes Studium der literarischen Quellen und auf noch
weniger genügende Berücksichtigung der architektonischen Formen des
Gebäudes gestützt, annehmen zu dürfen, dass hier aus älterer Zeit nichts
erhalten sei und alles Vorhandene erst aus der zweiten Hälfte des sechzehn-
ten Jahrhunderts herrühre. Das Irrthümliche dieser Ansicht wird von dem
Verfasser jedoch ausführlich (wie gleichzeitig auch durch F. v. Quast in
seinen übersichtlichen "Beiträgen zur Geschichte der Baukunst in Preussen",
in Heft 1. des laufenden Jahrganges der Neuen Preussischen Provinzial-
blätter) nachgewiesen. Der innere Kern des Kirchengebäudes rührt aus
der, für jene Lande sehr frühen Bauperiode von 1235 -1239 her. Er
erscheint im Charakter des Uebergangsstyles aus dem Romanischen ins
Gothische, und zwar in Formen, welche entschieden dem an den ältesten
Theilen der Kirche des weiland mächtigen Klosters Colbatz in Pommern,
des Mutterklosters von Oliva, entsprechen. U. a. findet sich hier
auch dieselbe, den Uebergangsstyl bezeichnende Kapitälform vor, die,
unterwärts achteckig, nach oben in das Viereck übergeht und die, wie in
Colbatz, so auch anderweitig in den nordöstlichen germanischen oder ger-
manisirten Landen gefunden wird. Ueber Colbatz habe ich in meiner
„P0mmerschen Kunstgeschichte" (K1. Schr., I., S. 669, 695 f.) ausführlich ge-
sprochen 1); auf den grössern Cyklus der entsprechenden Bauwerke dieser
und der zuletzt vorangegangenen romanischen Epoche, der seinen Schwer-
punkt in Dänemark zu finden scheint, habe ich in meinem Handbuch der
Kunstgeschichte (2. AutL, S. 500) hingedeutet. Die ältesten Theile der Kloster-
kirche von Oliva reihen den bisher bekannten Beispielen ein neues an,
das schon für die geographische Ausdehnung des Cyklus von Wichtigkeit ist.
Zu bedeutenden Veränderungen gab ein grosser Brand Anlass, der die
Kirche und das Kloster von Oliva im J. 1350 ergriffen hatte. Es erfolgten
bei der Restauration der Kirche Abänderungen in ihrer Disposition; ein
neuer Kreuzgang und Kapitelsaal wurden erbaut. Alles in dieser Zeit
Entstandene und ungestört Erhaltene trägt den Stempel der geschmack-
vollsten Entwickelung des gothischen Styles, wie derselbe sich an den
Baeksteinbauten unsrer Gegenden manifestiren konnte. Neue Zerstörun-
gen fanden im J. 1577 statt. Diese führten im J. 1582 namentlich zu einer
neuen Ueberwölbung der Kirche, in den spätest gothischen Formen eines
reichen und zierlichen Netzgewölbes. 1594 folgte der Neubau eines glän-
zenden Befectoriums im brillanten Jesuiterstyl, den Traditionen des Mittel-
alters schon abgewandt; im 17. und 18. Jahrhundert schloss sich endlich
noch manche Rococoisirung an. Von der Zeit nach 1577 rühren sodann
auch die ornamentistischen und bildnerischen Dekorationen her, mit denen
die Klrßhß. zum Theil in nicht sehr künstlerischer Weise, geschmückt ist.
Der Verfasser verbindet in vorliegender Schrift die sorglichste urkund-
lißhe Darlegung mit einer kritischen Untersuchung des Bauwerkes in allen
l) Vielleifzht würde ich gegenwärtig die ursprüngliche Anlage
Golbatz um 9111 weniges später setzen, als dort geschehen ist.
der Kirche von